Arbeitsrecht / öffentliches Personalrecht – Unverhältnismässige und zu späte fristlose Entlassung

BV 5 Abs. 2, 9, 36; OR 336 f. etc.

Einleitung

Es ging um eine strittige ausserordentliche Entlassung eines Sicherheitsbeamten im Range eine Feldweibels durch die Stadt Genf, wegen seiner Führung als Fachverantwortlicher der städtischen Polizeischule.

Sachverhalt

Der Beschwerdegegner war seit 2002 für die Stadt Genf, zunächst als Polizist und seit 2015 als Unteroffizier für die Ausbildung von Polizeiaspiranten, tätig.

Im März 2017 lancierte ein Polizeischüler einen Gruppenchat auf WhatsApp, in welchen er nicht nur weitere Polizeischüler, sondern auch den Beschwerdegegner mit seinem Diensttelefon aufgenommen hatte.

Gleichentags fand in dieser Gruppe ein Austausch von unangemessenen und deplazierten Nachrichten statt, teils mit rassistisch oder sexuell besetzten Inhalten.

Dabei hat der Beschwerdegegner zu zwei unangemessenen Nachrichten beigetragen.

Erst 16 Monate später löste die Genfer Stadtregierung das Arbeitsverhältnis zum Beschwerdegegner aus wichtigen Gründen fristlos auf, weil er

  • seine Dienstpflichten schwer verletzt habe;
  • am Gruppenchat mit verwerflichen Inhalten teilgenommen habe;
  • die anderen Teilnehmer, also seine Schüler, nicht zur Pflicht gerufen habe.

Erwägungen

Die Aufhebung der fristlosen Entlassung durch die verwaltungsrechtliche Kammer des Genfer Kantonsgerichts war laut Bundesgericht nicht willkürlich, weil die fristlose Entlassung unverhältnismässig war:

  • Die fristlose Entlassung sei eine ausserordentliche Massnahme, die vom Staat mit Zurückhaltung anzuwenden sei
    • Die Schwere einer einmaligen Entgleisung im Rahmen eines WhatsApp-Chats reiche nicht aus, um einen hochrangigen Polizeibeamten mit ansonsten tadelloser Dienstführung fristlos zu entlassen
  •  Fristlose Entlassung erfordert sofortiges Handeln
    • Mit Blick auf den behaupteten Vertrauensverlust und die Verhältnismässigkeit habe die Stadt Genf 16 Monate mit der fristlosen Entlassung zugewartet; während der 16 Monate habe sich der Beschwerdegegner klaglos verhalten.
  • Die Stadt Genf hätte ausser der fristlosen Entlassung andere Massnahmen ergreifen können, zB
    • Disziplinarmassnahmen oder
    • die Zuweisung anderer Aufgaben.

Entscheid

  • Abweisung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
  • Auferlegung der Gerichtskosten an die Beschwerdeführerin
  • Entschädigung des Beschwerdegegners durch die Beschwerdeführerin.

Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts

vom 09.07.2020

BGer 8C_336/2019

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