Zivilprozessrecht: Disziplinarstrafe für unentschuldigtes Nichterscheinen nur bei vorgängiger Androhung

Auch die Mietschlichtungsbehörde hat Disziplinargewalt

Das Bundesgericht musste in BGE 4A_510/2014 entscheiden, ob nicht nur den Gerichtsinstanzen, sondern auch der Schlichtungsbehörde die Disziplinarbefugnis von ZPO 128 Abs. 1 zustehe, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen.

ZPO 128 Abs. 1 sieht vor, dass das Gericht Disziplinarmassnahmen erlassen kann, wenn jemand den Anstand verletzt oder den Geschäftsgang vor Gericht stört. Der Strafrahmen reicht vom Verweis über die Ordnungsbusse von CHF 1‘000 bis hin zum Verfahrensausschluss.

In concreto waren Wohnungsvermieter in Basel in mehreren von ihren Mietern initiierten Verfahren unentschuldigt nicht zur Schlichtungsverhandlung erschienen. Die Schlichtungsbehörde bestrafte das Ehepaar mit mehreren Ordnungsbussen von je CHF 200. Das Vermieter-Ehepaar focht in der Folge die Verfügungen der Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten in Basel beim Appellationsgericht Basel-Stadt an und blieben dabei erfolglos. Das Bundesgericht gab ihnen nun Recht:

Es entspreche zweifellos einem praktischen Bedürfnis, dass der Schlichtungsbehörde notfalls disziplinarische Massnahmen zur Verfügung stünden, um das Ziel einer einvernehmlichen Streitbeilegung in einem geordneten Verfahren verfolgen zu können. Solche disziplinarischen Massnahmen müssten indessen – soweit möglich und zweckmässig – auf der Vorladung zur Verhandlung angedroht werden.

Da eine solche vorgängige Ankündigung fehlte, war der Erlass einer Ordnungsbusse unzulässig.

Quelle

BGE 4A_510/2014 vom 23.06.2015

Weiterführende Informationen / Linktipps

Schlichtungsverfahren | schlichtungsverfahren.ch

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