SVG 27 Abs. 1; SVG 16c Abs. 1 lit. a
Die Tempolimit-Signalisation ist auch dann zu beachten, wenn die rechtmässige Veröffentlichung ausblieb. Der Lenker gelangte wegen des administrativrechtlich angeordneten dreimonatigen Führerausweisentzugs ans Bundesgericht (BGer).
Der Lenker des Personenwagens wurde auf der Autobahn A3 bei Walenstadt, Fahrtrichtung Chur, in einem mit Höchstgeschwindigkeit 80 km/h signalisierten Baustellenbereich von einem Radargerät mit einer überhöhten Geschwindigkeit von 120 km/h erfasst (nach Abzug der Sicherheitsmarge von 6 km/h).
Wie üblich wurde zuerst das Strafverfahren (A) durchgeführt und anschliessend vom zuständigen Strassenverkehrsamt die Administrativmassnahme (B) verfügt.
- A. Strafrechtlich
- Die Staatsanwaltschaft Uznach sprach den Lenker mit Strafbefehl der «groben Verletzung» von Verkehrsregeln für schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à CHF 320.–, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie einer Busse von CHF 1’920.–.
- Auf Einsprache des Lenkers hin erliess die Staatsanwaltschaft Uznach einen neuen Strafbefehl:
- Sie verurteilte den Lenker neu wegen einer «einfachen Verletzung» von Verkehrsregeln und bestrafte ihn mit einer Busse von CHF 500.–.
- Sie begründete diesen neuen Entscheid im Wesentlichen damit, dass im Baustellenbereich am Walensee (ab dem Tunnel ‚Quarten‘ bis zum Tunnel ‚Raischibe‘) zwar temporär eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h signalisiert gewesen sei (viermal beidseitig und zweimal Überkopf). Diese temporäre Geschwindigkeitsreduktion von 100 km/h auf 80 km/h sei jedoch nicht veröffentlicht worden, womit sie grundsätzlich ungültig bzw. nichtig sei.
- B. Administrativrechtlich
- Laut BGer sind signalisierte Höchstgeschwindigkeiten ungeachtet der Gültigkeit ihrer Publikation aus Gründen der Verkehrssicherheit zu beachten.
- Der Lenker hat eine Signalisation der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer Autobahn missachtet.
- Aus Gründen der Rechtsgleichheit hat das Bundesgericht für die Beurteilung von Geschwindigkeitsüberschreitungen präzise Regeln aufgestellt:
- Unabhängig von den konkreten Umständen liegt ein «objektiv schwerer Fall» unter anderem dann vor, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung übersteigt:
- 25 km/h innerorts;
- 30 km/h ausserorts;
- 35 km/h auf einer Autobahn.
- Dies gilt ungeachtet der konkreten Umstände wie
- günstige Verkehrsverhältnisse oder
- ein tadelloser automobilistischer Leumund.
- Unabhängig von den konkreten Umständen liegt ein «objektiv schwerer Fall» unter anderem dann vor, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung übersteigt:
- Laut BGer sind signalisierte Höchstgeschwindigkeiten ungeachtet der Gültigkeit ihrer Publikation aus Gründen der Verkehrssicherheit zu beachten.
Das BGer wies daher die Beschwerde des Autofahrers in öffentlich-rechtliche Angelegenheiten gegen den dreimonatigen Führerausweisentzug durch das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden ab.
BGer 1C_539/2022 vom 23.05.2024
Quelle
Bürgi Nägeli Redaktionsteam