Stellungnahme ESTV in Absprache mit der «Arbeitsgruppe Unternehmenssteuern der Schweizerischen Steuerkonferenz»
Summary
Das Bundesgericht (BGer) hat mit Urteil 9C_135/2023 vom 06.06.2024 (BGE 150 II 369 ff.) entschieden, dass im Hinblick auf die «Gewinnsteuer» der Rückkauf eigener Aktien als Kapitalherabsetzungsvorgang gilt:
- Die zurückgekauften eigenen Aktien würden in diesem Sinne kein effektiver Vermögenswert darstellen.
- Die Wiederbegebung von zuvor von der Aktiengesellschaft zurückgekaufter eigener Aktien sei als steuerfreier Kapitaleinlagevorgang zu sehen.
Ausgangslage
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat nach Absprache mit der Arbeitsgruppe Unternehmenssteuern der Schweizerischen Steuerkonferenz Stellung zu den Folgen der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts genommen.
Die Stellungnahme der ESTV bildet Grundlage dieser Berichterstattung.
GEWINNSTEUER
Zurückkaufende Gesellschaft
Die aus der Wiederbegebung von zuvor zurückgekauften eigenen Kapitalanteilen entstehenden Mehr- oder Mindererlöse
- sind grundsätzlich direkt dem Eigenkapital gutzuschreiben respektive zu belasten.
Wird der Mehr- oder Mindererlös infolge einer Wiederbegebung handelsrechtlich erfolgswirksam verbucht,
- ist der ausgewiesene Gewinn oder Verlust der Gesellschaft
- für Gewinnsteuerzwecke zu korrigieren.
Ein aus der Wiederbegebung von eigenen Kapitalanteilen realisierter Mehrerlös qualifiziert gestützt auf DBG 60 lit. a als gewinnsteuerunwirksamer Kapitalzuwachs und das handelsrechtlich ausgewiesene Ergebnis der Gesellschaft
- ist steuerlich zu korrigieren.
Ein erfolgswirksam verbuchter Mindererlös zwischen Anschaffungskosten und Wiederbegebungspreis der eigenen Kapitalanteile
- ist als Umkehrschluss aus DBG 60 lit. a und im Sinne von DBG 58 Abs. 1 lit. b als geschäftsmässig nicht begründeter Aufwand aufzurechnen.
Während der Haltedauer auftretende Wertdifferenzen auf eigenen Kapitalanteilen
- sind sowohl handelsrechtlich als auch steuerlich unbeachtlich.
Veräussernde Gesellschaft
Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts ist gewinnsteuerlich der Rückkauf eigener Kapitalanteile bei der zurückkaufenden Gesellschaft als Teilliquidation anzusehen, so die ESTV:
- Bei der veräussernden Gesellschaft
- stellt ein solcher Ertrag
- eine Ausschüttung im Sinne von Ziffer 2.4.1. des Kreisschreibens Nr. 27 der ESTV vom 17. Dezember 2009 über die Steuerermässigung auf Beteiligungserträgen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften dar.
- stellt ein solcher Ertrag
Sofern und soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, wird der Beteiligungsabzug gewährt.
Kapitalanteile der Muttergesellschaft bei Tochtergesellschaften
Aufgrund des eingangs genannten Bundesgerichtsurteils
- ergeben sich
- sowohl bei der erwerbenden Gesellschaft
- als auch bei der veräussernden Gesellschaft
- keine Änderungen bei der steuerlichen Behandlung von Kapitalanteilen der Muttergesellschaft,
- die durch Tochtergesellschaften
- erworben,
- gehalten oder
- veräussert werden.
- die durch Tochtergesellschaften
EINKOMMENSSTEUER
Auf eine steuerliche Behandlung von eigenen Beteiligungsrechten, welche im Privatvermögen gehalten wurden, hat das Bundesgerichtsurteil 9C_135/2023 vom 06.06.2024 keine Auswirkungen.
Werden solche Beteiligungsrechte aus dem Geschäftsvermögen veräussert,
- stellt laut ESTV dieser Ertrag eine Ausschüttung im Sinne von Ziffer 2.2.4.1. des Kreisschreibens Nr. 23a der ESTV vom 31.01.2020 über die Teilbesteuerung der Einkünfte aus Beteiligungen im Geschäftsvermögen und zum Geschäftsvermögen erklärte Beteiligungen dar.
Sofern und soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, wird die Teilbesteuerung gewährt.
VERRECHNUNGSSTEUER UND STEMPELABGABEN
Die Verrechnungssteuer und die Stempelabgaben sind laut ESTV vom Urteil BGer 9C_135/2023 vom 06.06.2024 nicht betroffen.
Aktualisierung Publikationen der ESTV
Die ESTV teilte mit, dass ihre Publikationen, welche die gewinnsteuerliche Behandlung von eigenen Kapitalanteilen aktuell noch auf Grund der bisherigen Verwaltungspraxis anders regeln, diesbezüglich in der nächsten Zeit aktualisiert würde.
2. Abschnitt: Berechnung des Reingewinns
Art. 58 DBG Allgemeines
1 Der steuerbare Reingewinn setzt sich zusammen aus:
a. dem Saldo der Erfolgsrechnung unter Berücksichtigung des Saldovortrages des Vorjahres;
b. allen vor Berechnung des Saldos der Erfolgsrechnung ausgeschiedenen Teilen des Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung von geschäftsmässig begründetem Aufwand verwendet werden, wie insbesondere:
– Kosten für die Anschaffung, Herstellung oder Wertvermehrung von Gegenständen des Anlagevermögens,
– geschäftsmässig nicht begründete Abschreibungen und Rückstellungen,
– Einlagen in die Reserven,
– Einzahlungen auf das Eigenkapital aus Mitteln der juristischen Person, soweit sie nicht aus als Gewinn versteuerten Reserven erfolgen,
– offene und verdeckte Gewinnausschüttungen und geschäftsmässig nicht begründete Zuwendungen an Dritte;
c. den der Erfolgsrechnung nicht gutgeschriebenen Erträgen, mit Einschluss der Kapital-, Aufwertungs- und Liquidationsgewinne, vorbehältlich Artikel 64. …133
2 Der steuerbare Reingewinn juristischer Personen, die keine Erfolgsrechnung erstellen, bestimmt sich sinngemäss nach Absatz 1.
3 Leistungen, welche gemischtwirtschaftliche, im öffentlichen Interesse tätige Unternehmen überwiegend an nahe stehende Personen erbringen, sind zum jeweiligen Marktpreis, zu den jeweiligen Gestehungskosten zuzüglich eines angemessenen Aufschlages oder zum jeweiligen Endverkaufspreis abzüglich einer angemessenen Gewinnmarge zu bewerten; das Ergebnis eines jeden Unternehmens ist entsprechend zu berichtigen.
133 Zweiter Satz aufgehoben durch Ziff. I 2 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung, mit Wirkung seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 2395 2413; BBl 2018 2527).
Art. 60 DBG Erfolgsneutrale Vorgänge
Kein steuerbarer Gewinn entsteht durch:
- Kapitaleinlagen von Mitgliedern von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, einschliesslich Aufgelder und Leistungen à fonds perdu;
- Verlegung des Sitzes, der Verwaltung, eines Geschäftsbetriebes oder einer Betriebsstätte innerhalb der Schweiz, soweit keine Veräusserungen oder buchmässigen Aufwertungen vorgenommen werden;
- Kapitalzuwachs aus Erbschaft, Vermächtnis oder Schenkung.
Weiterführende Informationen
- Rückkauf eigener Aktien
- Verbuchung des Rückkaufs eigener Aktien
- Ertragssteuer
- LAWNEWS-Gerichtsberichterstattung
- ESTV zum Urteil BGer 9C_135/2023 vom 06.06.2024
Quelle
Redaktionsteam Bürgi Nägeli Rechtsanwälte