OR 82; OR 205 Abs. 3; SchKG 82 Abs. 2
Sachverhalt
Die Beschwerdegegnerin (Käuferin) zahlte der Beschwerdeführerin (Verkäuferin) im Rahmen eines Kaufvertrags die Hälfte des Kaufpreises für Waren, zu denen sie fristgerecht Mängel gerügt hatte.
Das erstinstanzliche Gericht gewährte die provisorische Rechtsöffnung. Die kantonale Oberinstanz hob den vorinstanzlichen Entscheid auf und verweigerte die provisorische Rechtsöffnung.
Im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht betreffend die provisorische Rechtsöffnung war strittig, ob die Beschwerdegegnerin (Käuferin) ihr Recht auf Preisminderung wegen eines Mangels der Kaufsache (materielle Rechtsfrage) geltend machte und damit die Einrede gemäss SchKG 82 Abs. 2 erhoben hatte oder, ob sie eine Bestreitung der Forderungsfälligkeit im Sinne von OR 82 (Einrede des nicht erfüllten Vertrags) kundgegeben hatte.
Erwägungen des Bundesgerichts
Im Rahmen des Rechtsöffnungsverfahrens hatte die Beschwerdegegnerin (Käuferin) geltend zu machen, dass sie die Mängel rechtzeitig gerügt habe und sie hatte den Mangel glaubhaft zu machen.
Falls die Käuferin im Rechtsöffnungsverfahren die Minderung des Kaufpreises verlangte, brachte sie nicht dieEinrede des nicht erfüllten Vertrags im Sinne von OR 82vor:
- Die Käuferin musste in diesem Fall zwar ebenfalls den Umfang der Preisminderung, die sie gegenüber dem Verkäufer geltend machte, glaubhaft machen, weil sie nicht die Bezahlung des gesamten Kaufpreises verweigern konnte.
Mit dieser Art von Vorgehen bestritt sie aber die Kaufpreisfälligkeit nicht, sondern brachte einen zivilrechtlichen Anspruch des materiellen Rechts im Sinne von SchKG 82 Abs. 2 vor:
- Es ist nicht Sache des Rechtsöffnungsrichters, Fragen des materiellen Rechts oder des Ermessens zu prüfen; hiefür ist alleine der Sachrichter zuständig.
Entscheid
- Gutheissung der Beschwerde in Zivilsachen;
- Bestätigung der provisorischen Rechtsöffnung des Richters der ersten Instanz;
- Rückweisung an die Vorinstanz zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen;
- Auferlegung der Gerichtskosten an die Beschwerdegegnerin, die die Beschwerdeführerin zu entschädigen hat.
BGer 5A_625/2022 vom 21.03.2023 = BGE 149 III 310 ff.
VI. Bei zweiseitigen Verträgen
1. Ordnung in der Erfüllung
Art. 82 OR
Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat.
7. Inhalt der Klage des Käufers
a. Wandelung oder Minderung
Art. 205 OR
1 Liegt ein Fall der Gewährleistung wegen Mängel der Sache vor, so hat der Käufer die Wahl, mit der Wandelungsklage den Kauf rückgängig zu machen oder mit der Minderungsklage Ersatz des Minderwertes der Sache zu fordern.
2 Auch wenn die Wandelungsklage angestellt worden ist, steht es dem Richter frei, bloss Ersatz des Minderwertes zuzusprechen, sofern die Umstände es nicht rechtfertigen, den Kauf rückgängig zu machen.
3 Erreicht der geforderte Minderwert den Betrag des Kaufpreises, so kann der Käufer nur die Wandelung verlangen.
3. Durch provisorische Rechtsöffnung
a. Voraussetzungen
Art. 82 SchKG
1 Beruht die Forderung auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung, so kann der Gläubiger die provisorische Rechtsöffnung verlangen.
2 Der Richter spricht dieselbe aus, sofern der Betriebene nicht Einwendungen, welche die Schuldanerkennung entkräften, sofort glaubhaft macht.
Weiterführende Informationen
- Provisorische Rechtsöffnung
- Minderung
- Kaufvertrag: Minderung
- Minderungsrecht
- Internationales Vertragsrecht: Minderung
Quelle
Redaktionsteam Bürgi Nägeli Rechtsanwälte