Gesellschaftsrecht – Aktiengesellschaft: Organisationsmängel berechtigten anderen Aktionär nicht zum Aktienerwerb

OR 731b Abs. 1; OR 736 Ziffer 4

Mängel in der Organisation der Gesellschaft und die Geltendmachung des vermeintlichen Anspruchs auf Erwerb der Aktien des anderen Aktionärs bei Blockade durch Aktionäre sowie Liquidationsfolge standen im Mittelpunkt 4A_ 499/2019.

Resultiert der Organisationsmangel aus einem Konflikt zwischen den Aktionären, kann die Versteigerung der Aktien eines Aktionärs angeordnet werden, womit letztlich einer der Aktionäre die Aktien des anderen erwirbt und damit die Blockade aufgelöst wird.

Der Richter verfügt über einen Ermessensspielraum bei der Anwendung von OR 731b Abs. 1:

  • Ergreifung der Ergreifung der geeignetsten Massnahme nach den konkreten Umständen
  • Berücksichtigung der Interessen Dritter
  • Auflösung der Gesellschaft nach OR 731b Abs. 1 Ziffer 3 als ultima ratio
  • Massnahmen gemäss OR 731b Abs. 1 müssen zu einer möglichst raschen Beseitigung des Organisationsmangels führen
  • Massnahmen sind nicht dazu bestimmt, den Konflikt zwischen den Aktionären zu lösen
  • Keine Entschädigung oder Belohnung von Aktionären zum Nachteil eines anderen Aktionärs.

Das Bundesgericht hielt sodann folgendes fest:

  • Aus OR 731b Abs. 1 kann nicht abgeleitet werden, dass einem Aktionär das Recht auf den Erwerb der Aktien eines anderen Aktionärs zusteht
  • OR 731b Abs. 1 Ziffer 3 ermöglich dem Aktionär nicht, die strengen Voraussetzungen von OR 736 Ziffer 4, die eine Auflösung der Gesellschaft rechtfertigen, zu umgehen.

Quelle

BGer 4A_ 499/2019 vom 25.03.2020

D.5  Mängel in der Organisation der Gesellschaft

Art. 731b OR

1 Ein Aktionär, ein Gläubiger oder der Handelsregisterführer kann dem Gericht bei folgenden Mängeln in der Organisation der Gesellschaft beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen:

1.    Der Gesellschaft fehlt eines der vorgeschriebenen Organe.

2.    Ein vorgeschriebenes Organ der Gesellschaft ist nicht richtig zusammengesetzt.

3.    Die Gesellschaft führt das Aktienbuch oder das Verzeichnis über die ihr gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen nicht vorschriftsgemäss.1

1bis Das Gericht kann insbesondere:

1.    der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist ansetzen, binnen deren der rechtmässige Zustand wiederherzustellen ist;

2.    das fehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen;

3.    die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen.

2 Ernennt der Richter das fehlende Organ oder einen Sachwalter, so bestimmt er die Dauer, für die die Ernennung gültig ist. Er verpflichtet die Gesellschaft, die Kosten zu tragen und den ernannten Personen einen Vorschuss zu leisten.

3 Liegt ein wichtiger Grund vor, so kann die Gesellschaft vom Richter die Abberufung von Personen verlangen, die dieser eingesetzt hat.

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