Wahlrecht „Handelsgericht“ oder „ordentliches Gericht“ und Prozessfähigkeit Stockwerkeigentümergemeinschaft

Zivilprozessrecht: ZPO 6 Abs. 3

Sachverhalt

Mit Totalunternehmervertrag vom 14.03.2007 / 24.07.2007 verpflichtete sich die A.________ AG (Beklagte, Beschwerdeführerin) bzw. ihre Rechtsvorgängerin gegenüber der R.________ AG zur Planung, Erstellung und Übergabe des Bauwerks „3 MEFH an der Strasse W.________, V.________, Grundstück Kat.-Nr. xxx, yyy, zzz“. Die R.________ AG begründete an den drei Grundstücken Stockwerkeigentum und verkaufte die Stockwerkeinheiten, wobei sie in den Kaufverträgen ihre Mängelrechte und Garantieansprüche gegenüber der Beklagten abtrat. In der Folge wurden Mängel an den Fassaden aller drei Häuser gerügt, die auch durch Nachbesserungsarbeiten der Beklagten nicht behoben worden seien.

In prozessualer Hinsicht war strittig, ob auch einer Stockwerkeigentümergemeinschaft als Klägerin das Wahlrecht zustehe, zwischen Handelsgericht oder ordentlichem Gericht.

Die klagende Partei hatte zunächst am ordentlichen Gericht (Bezirksgericht Zürich) geklagt; dieses trat auf die Klage nicht ein, sei doch das Handelsgericht sachlich zuständig. Demgegenüber trat das Handelsgericht des Kantons Zürich auf die Klage nicht ein, weil es das Bezirksgericht Zürich als sachlich zuständig erachtete. Das Obergericht änderte das Rubrum und nannte anstelle der „Stockwerkeigentümergemeinschaft U., V.“ die einzelnen 17 natürlichen Personen als Stockwerkeigentümer. Es hiess die Berufung gut und entschied, dass das Bezirksgericht Zürich zuständig sei.

Dagegen erhob die Totalunternehmerin Beschwerde ans Bundesgericht.

Wahlrecht nur für die klagende Partei

Zunächst hatte das Bundesgericht zu prüfen, ob der obergerichtliche Entscheid gegen ZPO 6 Abs. 3 verstiess. Das Bundesgericht verneinte eine Verletzung, weil das Wahlrecht nur für die klagende Partei, die nicht im Handelsregister eingetragen sei, bestehe. Zudem sei eine vorgängige Vereinbarung über die sachliche Zuständigkeit nicht zulässig, da die klagende, nicht im Handelsregister eingetragene Partei sonst wieder des vom Gesetzgeber gewollten Vorteils wieder beraubt würde.

Berichtigung Parteibezeichnung der StWEG

Da sich die klagende Partei als „Stockwerkeigentümerschaft“ anstatt als „Stockwerkeigentümergemeinschaft“ und keine Verwechslungsgefahr bestand, wurde die Parteibezeichnung – nochmals – von Amtes wegen berichtigt.

Partei- und Prozessfähigkeit der StWEG + Wahlrecht nach ZPO 6 Abs. 3

Das Bundesgericht bestätigte die Partei- und Prozessfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft und erkannte, dass ihr – weil sie nicht im Handelsregister eingetragen sei – das Wahlrecht nach ZP 6 Abs. 3 zustehe.

Sachlegitimations-Wesentlichkeit bei der Prozessführung durch eine StWEG

Das Bundesgericht wies daraufhin, dass die Stockwerkeigentümergemeinschaft (StWEG), obwohl ihr keine eigene Rechtspersönlichkeit zukomme, in gewisser Hinsicht verselbständigt sei. So könne sie im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit zivilrechtlich handeln und einerseits prozessual und vollstreckungsrechtlich unter ihrem Namen klagen und betreiben, andererseits beklagt und betrieben werden. Das Sondervermögen der StWEG sei im Rechtsverkehr verselbständigt, obwohl es im Miteigentümer der einzelnen Stockwerkeigentümer stehe. Nicht zu diesem Sondervermögen zähle hingegen die Liegenschaft, da diese nicht der Verwaltung diene.

Die Stockwerkeigentümergemeinschaft (StWEG) konnte also nur in eigenem Namen klagen, wenn sie nebst der Prozessfähigkeit in materieller Hinsicht die Rechtszuständigkeit am betreffenden Streitgegenstand, d.h. die Sach- bzw. Aktivlegitimation, für sich reklamieren konnte.

Die kantonalen Gerichte hatten nicht geprüft, ob die Stockwerkeigentümergemeinschaft in der konkreten Sache auch die Sach- bzw. Aktivlegitimation besitze.

Entscheid

Da die kantonalen Vorinstanzen nicht beurteilt hatten, ob und inwieweit der StWEG im vorliegenden Fall die Partei- und Prozessfähigkeit zukommt, wurde die Sache ans Bezirksgericht Zürich zurückgewiesen. Es blieb damit beim obergerichtlichen Rückweisungsentscheid. Die Beschwerde daher abgewiesen.

Quelle

BGE 4A_242/2016 vom 05.10.2016 | polyreg.ch

Art. 6 Abs. 3 ZPO   Handelsgericht

Ist nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen, sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt, so hat die klagende Partei die Wahl zwischen dem Handelsgericht und dem ordentlichen Gericht.

Weiterführende Informationen / Linktipps

 

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