Vervielfältigung von Zeitschriftenartikeln durch Bibliothek-Dokumentenlieferdienst zulässig

URG 19

Der Sachverhalt

Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) betreibt einen Dokumentenlieferdienst, in dessen Rahmen sie auf Bestellung einzelne Aufsätze aus den von ihr abonnierten wissenschaftlichen Zeitschriften oder Sammelbänden kopiert oder einscannt und den Betroffenen per Post oder E-Mail zustellt. Das Zürcher Handelsgericht (HGZ) entschied am 07.04.2014 auf Klage mehrerer Verlage entsprechender Fachschriften hin, dass das Vorgehen der ETHZ das Urheberrecht der Verlage verletze und damit unzulässig sei.

Die Erwägungen

Das Bundesgericht interpretierte URG 19 anders als das Handelsgericht des Kantons Zürich und gab einige wichtige Milestones zur Sache bekannt, die wir hier in Kürze zusammengefasst wiedergeben: 

  • Zulässigkeit der Vervielfältigung durch Dritte
    • Dem zum Eigengebrauch Berechtigten ist es gestattet, die dazu erforderlichen Vervielfältigungen durch Dritte herstellen zu lassen (vgl. URG 19 Abs. 2)
  • Werkexemplar muss nicht vom Eigengebrauchs-Berechtigten stammen
    • Es ist nicht erforderlich, dass die berechtigte Person das Werkexemplar dem Vervielfältigenden selbst zur Verfügung stellt (vgl. URG 19 Abs. 2)
  • Festlegung des Kopiergegenstand durch den Eigengebrauchs-Berechtigten
    • Der zum Eigengebrauch Berechtigte muss selber bestimmen, was er kopiert haben möchte
  • Technologie-Neutralität der Eigengebrauchs-Befugnis
    • Da die Eigengebrauchsbefugnis im URG technologie-neutral ausgestaltet ist, sind die Vervielfältigungs- und Expedierungsmethoden ohne Belang
      • Reproduktion des Textauszuges auf analoger oder digitaler Basis
      • Expedierung des rechtmässig hergestellten Vervielfältigungsexemplars per Post oder per e-mail
  • Vollständige Vervielfältigung nur beschränkt und Dritten zulässig
    • Ein im Handel erhältliches Werkexemplar ist nur im eng beschränkten Rahmen von URG 19 Abs. 1 lit. a zulässig und darf nicht unter Beizug eines Dritten im Sinne von URG 19 Abs. 2 erfolgen
  • Einschränkung durch Verlage
    • Die Verlage könnten das auszugsweise Kopieren verunmöglichen, wenn sie ihre Zeitungen, Zeitschriften und Bücher artikel- bzw. kapitelweise auch mittels Online-Archiv zum entgeltlichen Abruf im Internet bereitstellen würden
  • Bibliotheken: Urheberrechtsgebührenpflicht und kein Recht auf Online-Archiv
    • Bibliotheken-Dokumentenlieferdienste bzw. deren Bezüger müssen ebenfalls Urheberrechtsgebühren bezahlen
    • Bibliotheken dürfen keine Online-Archive betreiben.

In diesem Sinne betrachtet das Bundesgericht den Versand von Zeitschriftenartikeln durch Bibliotheken als zulässig.

Der Entscheid 

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) gut, hob die Dispositiv-Ziffern 4-7 des angefochtenen Urteils des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 07.042014 auf und wies die Klage ab; im Übrigen wurde die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Handelsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

Quelle

BGE 4A_295/2014 vom 28.11.2014

Weiterführende Informationen / Linktipps

Medienmitteilung | bger.ch

Urheberrechte | urheberrechte.ch

Rechtsstellung Verlaggeber | verlagsvertrag.ch

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