Schenkungsanfechtung und Schädigungsabsicht

ZGB 494 + ZGB 527 Abs. 4

Das Bundesgericht hatte in BGE 5A_651 zu beurteilen, ob Schenkungen (lebzeitige Zuwendungen) des Erblassers erbvertragliche Ansprüche der Nachkommen (letztwillige Zuwendungen) verletzten.

Dabei arbeitete das Bundesgericht die Sache an folgenden beiden Schwerpunkten auf: 

  1. A.    Erblasserverpflichtungen im Erbvertrag

Der Erblasser (und nachmalige Schenker), der sich durch Erbvertrag einem andern gegenüber verpflichtet hat, ihm oder einem Dritten seine Erbschaft oder ein Vermächtnis zu hinterlassen (ZGB 494 Abs. 1), kann weiterhin frei über sein Vermögen verfügen (ZGB 494 Abs. 2); der Vermögensverzehr ist daher möglich.

Schenkungen sind grundsätzlich mit dem Erbvertrag vereinbar, soweit dieser nicht das Gegenteil vorsieht.

Grundsätzlich kann sich der Erblasser im Erbvertrag in bestimmtem, nicht die Persönlichkeit verletzenden Rahmen zur (ganzen oder teilweisen) Vermögenserhaltung verpflichten.

Verfügungen von Todes wegen oder Schenkungen des Erblassers bzw. Schenkers, die nicht mit seinen Verpflichtungen aus dem Erbvertrag vereinbar sind, unterliegen der erbrechtlichen Anfechtung von ZGB 494 Abs. 3.

Fehlt es an einer entsprechenden Verpflichtung im Erbvertrag, kann gleichwohl eine Anfechtung nach ZGB 494 Abs. 3 erfolgen, wenn der Erblasser bzw. Schenker seine erbvertragliche Verpflichtung auszuhöhlen versucht, und zwar 

  • rechtsmissbräuchlich (ZGB 2 Abs. 2)
  • zur Schädigung der andern Erbvertragspartei.

Den Anfechtenden trifft die Beweislast für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bzw. der Aushöhlung. 

In casu waren im Erbvertrag weitere Dispositionen nicht ausgeschlossen. Geltend gemacht wurde die Schädigungsabsicht, nicht aber ein Rechtsmissbrauch

  1. B.    Schädigungsabsicht

Die Schädigungsabsicht muss –analog ZGB 527 Abs. 4 – dem Richter glaubwürdig dargetan werden. Folgende Indizien können für eine Schädigungsabsicht sprechen: 

  • Erheblichkeit der Schenkungen
  • Zeitliche Einordnung der Schenkungen
  • Gegenleistungssituation des Erbvertrags (Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit)

In casu wurden bei einem Gesamtnachlass von ca. CHF 5,12 Mio. lebzeitige Zuwendungen von ca. CHF 1,3 Mio., ausgerichtet, davon alleine drei von total ca. CHF 600‘000 binnen Jahresfrist. Obwohl die Gesamt-Zuwendungen einen Viertel ausmachten und als erheblich galten, kam das Bundesgericht – wie für die Vorinstanz – zum Schluss, dass eine Schädigungsabsicht nicht offensichtlich sei. Die Umstände der mehreren Transaktionen blieben eben mehr oder minder ungeklärt. 

  1. C.    Fazit

Der vorliegende Fall zeigt, dass es für die nicht in die Fremd-Dispositionen mit einbezogenen Erben schwierig ist, nach dem Tode des Schenkers seine Schädigungsabsicht nachzuweisen. 

Quelle

BGE 5A_651/2013 vom 30.04.2014 

Art. 494 ZGB

1 Der Erblasser kann sich durch Erbvertrag einem andern gegenüber verpflichten, ihm oder einem Dritten seine Erbschaft oder ein Vermächtnis zu hinterlassen.

2 Er kann über sein Vermögen frei verfügen.

3 Verfügungen von Todes wegen oder Schenkungen, die mit seinen Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, unterliegen jedoch der Anfechtung.

Art. 527 ZGB

Der Herabsetzung unterliegen wie die Verfügungen von Todes wegen:

1. die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind;

2. die Erbabfindungen und Auskaufsbeträge;

3. die Schenkungen, die der Erblasser frei widerrufen konnte, oder die er während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke;

4. die Entäusserung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat.

Weiterführende Informationen / Linktipps

Unzulässige Schenkungen | schenkungen.ch

 

Spätere Verfügungen beim Erbeinsetzung- / Vermächtnisvertrag | erb-vertrag.ch

Herabsetzungsklage | herabsetzung.ch

Herabsetzung lebzeitiger Zuwendungen | herabsetzung.ch

Teilungsgrundlagen: Informationsanspruch  | erb-teilung.ch

Die Kommentare sind geschlossen.