Stockwerkeigentum: Verwalter-Abberufung und -Ernennung / Streitwertberechnung

ZGB 712r Abs. 1 und ZGB 712m Abs. 2 i.V.m. ZGB 67 Abs. 2

Ausgangslage

Die Ausgangslage ergibt sich aus den einleitenden Sachverhaltsfeststellungen des Bundesgerichts (A – C):

A.

Die Stockwerkeigentümergemeinschaft X.________ (StWEG) setzt sich aus 35 Stockwerkeigentümern zusammen, welchen das Grundstück L.________-GBB-xxx zusteht. Auf diesem Grundstück befindet sich das im Jahr 1972 erstellte Gebäude M.________weg yyy und zzz mit zwei Eingängen. Zwischen den Stockwerkeigentümern besteht Uneinigkeit über die Notwendigkeit anstehender Sanierungsmassnahmen (Dach, Aufzüge, Heizung, Wärmedämmung).

Anlässlich der Stockwerkeigentümerversammlung vom 30.09.2011 trat der Verwalter der Gemeinschaft zurück. Die an der Versammlung neu gewählte Verwalterin zog ihr Angebot später zurück, so dass die Gemeinschaft ohne Verwalter dastand.

B.

Am 16.12.2011 reichten die rubrizierten Beschwerdeführer beim Bezirksgericht Brig, Östlich-Raron und Goms ein Gesuch auf gerichtliche Ernennung des StWE-Verwalters und der Verwaltungsdelegation ein. Rechtsanwalt Marco Eyer reichte am 16.01.2012 für 28 der 31 beklagten Stockwerkeigentümer eine Stellungnahme ein, in welcher er um Gutheissung des Gesuches zur Ernennung des Verwalters ersuchte.

Am 24.03.2012 stellten die Beschwerdeführer gegen die instruierende Richterin ein Ausstandsbegehren, worauf ein anderer Richter mit dem Verfahren betraut wurde. Dieser ernannte mit Entscheid vom 19.04.2012 Q.________, Y.________-Treuhand, als Verwalter der StWEG X.________ und wies das weitergehende Gesuch ab.

Gegen diesen Entscheid erhoben die Beschwerdeführer am 01.05.2012 beim Kantonsgericht Wallis Berufung, mit dem Begehren um Entscheid-Aufhebung und neuer Entscheidfindung. Sie machten eine Gehörsverletzung geltend; sie seien zur vorgesehenen Verwalterwahl nicht angehört worden, was umso stossender sei, als davon auszugehen sei, dass der Verwalter auf Vorschlag der Gegenpartei eingesetzt worden sei. Zudem fehle ihm die erforderliche Kompetenz und Unabhängigkeit, da er der Schwager einer gegnerischen Stockwerkeigentümerin sei. Schliesslich sei Art. 30 des Stockwerkeigentümer-Reglements verletzt, weil keine Mitglieder für die Verwaltungsdelegation bezeichnet worden seien.

Mit Urteil vom 21.09.2012 wies das Kantonsgericht Wallis die Berufung ab.

C.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen das Urteil am 31.10.2012 eine Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde mit dem Begehren um dessen Aufhebung und gerichtlicher Ernennung eines unabhängigen und neutralen Verwalters, eventualiter um Rückweisung zur Ernennung eines unabhängigen und neutralen Verwalters. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

Verwalterfunktion

Der StWE-Verwalter ist das von der StWEG gewählte oder vom Richter eingesetzte „Organ“ der StWEG (Art. 712q Abs. 1 ZGB), welches die Versammlung der Stockwerkeigentümer einberuft und leitet (Art. 712n ZGB). Der StWE-Verwalter hat generell eine ausführende Funktion (vgl. Art. 712s ZGB) und die StWEG nach aussen zu vertreten (Art. 712t ZGB). Der StWE-Verwalter darf sowohl ein Stockwerkeigentümer als auch ein Dritter sein (…).

Weil der StWE-Verwalter nicht ein Mittler zwischen zwei Parteien, sondern ausführendes und vertretendes Organ der Gemeinschaft sei, gelte für ihn nicht eine Befangenheitsregelung, wie sie typischerweise für Richter und richterliche Gehilfen (namentlich Gutachter) zur Anwendung komme. (vgl. Erw. 2.3) 

Verwalter-Abberufung

Das Bundesgericht hat sich in Erwägung 2.3 detailliert mit den Abberufungsvoraussetzungen befasst und auf folgendes hingewiesen:

Die Abberufung des StWE-Verwalters erfolgt durch Mehrheitsbeschluss (Art. 712r Abs. 1 und Art. 712m Abs. 2 i.V.m. Art. 67 Abs. 2 ZGB). – Lehnt die Stockwerkeigentümer-Versammlung die Verwalter-Abberufung unter Missachtung wichtiger Gründe ab, kann jeder einzelne Stockwerkeigentümer die gerichtliche Abberufung verlangen (Art. 712r Abs. 2 ZGB).

Als wichtige Gründe für eine Abberufung gelten laut Bundesgericht zusammenfassend:

  • Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Verwaltungsverhältnisses nach Treu und Glauben für einen Stockwerkeigentümer bzw. gestörtes Vertrauensverhältnis (BGE 126 III 177 E. 2a S. 178; BGE 127 III 534 E. 3a S. 536)
  • Nichterfüllung der Aufgaben durch den StWE-Verwalter
  • Unsorgfältige Verwaltung der anvertrauten Gelder durch den StWE-Verwalter
  • Eigenmächtige Missachtung von Stockwerkeigentümerversammlungsbeschlüssen
  • Schikanierung oder Beschimpfung von Stockwerkeigentümern
  • unerlaubter Hilfspersonen- oder Substituten-Beizug
  • Unehrenhaftes Verhalten
  • schwerwiegende und permanente Meinungsverschiedenheiten zwischen Stockwerkeigentümern und StWE-Verwalter

Leichte Verstösse gegen die Verwalter-Verpflichtungen stellen keine wichtigen Gründe für die Abberufung dar (BGE 127 III 534 E. 3a S. 536).

Ausnahme: Wiederholungsfall (BGE 126 III 177, E. 2c/dd, S. 181).

Gravierende Interessenkonflikte müssen konkret und nicht bloss abstrakt bestehen. Dabei ist eine objektivierte und nicht subjektive Betrachtungsweise der klagenden Stockwerkeigentümer massgebend. Für die richterliche Verwalter-Abberufung gelten die gleichen Kriterien wie für die richterliche Ernennung. Hingegen finden Befangenheitsregelungen, wie sie für den Richter und seine Gehilfen gelten, nicht Anwendung (vgl. auch BGE 127 I 196 E. 2b S. 198).

Verwalter-Ernennung

Der Verwalter der Stockwerkeigentümergemeinschaft wird durch Mehrheitsbeschluss der Stockwerkeigentümer gewählt (vgl. Art. 712q Abs. 1 und Art. 712m Abs. 2 i.V.m. Art. 67 Abs. 2 ZGB). 

Streitwertberechnung

Die Abberufung und gerichtliche Ernennung eines StWE-Verwalter ist grundsätzlich eine Streitigkeit vermögensrechtlicher Natur (vgl. BGE 108 II 77 im Zusammenhang mit Stockwerkeigentümerbeschlüssen). Die Vorinstanz ist von einem Streitwert von CHF 16’500.– ausgegangen mit der Überlegung, gemäss Art. 27 des StWE-Reglements werde der Verwalter für eine Amtsdauer von drei Jahren gewählt und die jährlichen Kosten beliefen sich gemäss Offerte des Verwalters vom 27.03.2012 auf rund CHF 5’500.–. Demgegenüber machten die Beschwerdeführer geltend, dieser Betrag sei im Sinne von Art. 51 Abs. 4 BGG zu kapitalisieren.

Laut Bundesgericht finden sich tatsächlich Entscheide, wo bei zeitlich unbefristeter Ernennung eines Verwalters das kapitalisierte jährliche Honorar als Streitwert angenommen wurde (zB BGE 5C.27/2003 vom 22.05.2003, Erw. 1, und BGE 5C.243/2004 vom 02.03.2005, Erw. 1). Nähe begründet worden sei dies nicht. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen ging es um die Amtsperiode gemäss Reglement von drei Jahren. Zumal der richterlich ernannte StWE-Verwalter vor Ablauf dieser Periode im Grundsatz nicht abgewählt werden konnte (vgl. Art. 712r Abs. 3 ZGB), ist die vorinstanzliche Sichtweise, das dreifache Jahreshonorar als Streitwert anzunehmen, naheliegend und die Richtige (vgl. zB BGE 8C_220/2010 vom 18.10.2010, Erw. 1.2; in Mietsachen sodann BGE 137 III 389 Erw. 1.1 S. 390; BGE 4A_273/2012 vom 30.10.2012, Erw. 1.2.2) Auch für das bundesgerichtliche Verfahren sei somit von einem Streitwert von CHF 16’500.– auszugehen (vgl. Art. 51 Abs. 2 BGG). Der für die Beschwerde in Zivilsachen notwendige Mindeststreitwert von CHF 30’000.– gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG sei damit nicht erreicht.

Ergebnis

Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht eingetreten und wies die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ab, soweit auf diese eingetreten werden konnte. Die Gerichtskosten wurden den Beschwerdeführern auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Gegenseite mangels entschädigungspflichtigen Aufwands keine Prozessentschädigung zugesprochen.

Quelle

BGE 5A_795/2012 vom 21.02.2013 (= BGE xxx)

Weiterführende Informationen / Linktipps

Verwalter Stockwerkeigentum | stockwerk-eigentum.ch

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