SchKG 192 i.V.m. OR 725b + OR 729c
Im nachgenannten Streitfall ging es im Wesentlichen um folgendes:
- Konkurseröffnung über eine Aktiengesellschaft ohne vorgängige Betreibung;
- ersatzweise Überschuldungsanzeige durch die Revisionsstelle;
- Überschuldung;
- Rangrücktritt.
1. Vorgehen ohne Überschuldungsanzeige
Ohne Überschuldungsanzeige durch den Verwaltungsrat, die Revisionsstelle oder den zugelassenen Revisor
- kann der Konkurs nicht nach Art. 192 SchKG i.V.m. Art. 725b Abs. 3 OR eröffnet werden
- (vgl. Erw. 4.2).
2. Wirkung der Überschuldungsanzeige
Die Überschuldungsanzeige
- ergeht kraft gesetzlicher Pflicht;
- kann nicht zurückgenommen, sondern nur berichtigt werden.
3. Gesellschaft ohne Überschuldung
Wenn die Gesellschaft nicht überschuldet ist,
- darf das Konkursgericht den Konkurs nicht eröffnen
- (vgl. Erw. 4.4).
- Ausführungen des Gerichts an die
- Anforderungen an
- den Nachweis der Überschuldung bei Auseinandersetzungen zwischen Verwaltungsrat und Revisionsstelle;
- Verhältnis von Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflicht
- (vgl. Erw. 5).
- Anforderungen an
4. Rangrücktritt in genügendem Umfang
Mit der Vereinbarung des Rangrücktritts in genügendem Umfang
- wird die verpönte Überschuldung in einen gesetzlich tolerierten Zustand überführt;
- was bedeutet,
- dass der Verwaltungsrat nicht zur Deponierung der Bilanz verpflichtet ist,
- wenn die Überschuldung durch genügend Rangrücktritte abgedeckt ist.
- Neu wird verlangt, dass auch Zinsforderungen dem Rangrücktritt unterliegen
- (vgl. Erw. 6.2.2).
- dass der Verwaltungsrat nicht zur Deponierung der Bilanz verpflichtet ist,
5. Keine Alternativen zum Rangrücktritt sind:
- «Deckungsgarantien“ bzw.
- Garantien und
- Patronatserklärungen
(vgl. Erw. 6.2.3).
6. Auflösung stiller Reserven ohne Bedeutung für die Benachrichtigungspflicht bei nachrangigem Fremdkapital
Eine aus der Auflösung stiller Reserven resultierende tiefere Bewertung des nachrangigen Fremdkapitals
- ist für die Pflicht zur Benachrichtigung des Gerichts ohne Bedeutung
- (vgl. Erw. 6.4.3).
BGer 5A_146/2024 vom 03.07.2024 = BGE 150 III 315 ff.
C. Von Amtes wegen
Art. 192 SchKG
Der Konkurs wird ohne vorgängige Betreibung von Amtes wegen eröffnet, wenn es das Gesetz so vorsieht.
3. Überschuldung
Art. 725b OR
1 Besteht begründete Besorgnis, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, so erstellt der Verwaltungsrat unverzüglich je einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten und Veräusserungswerten. Auf den Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten kann verzichtet werden, wenn die Annahme der Fortführung gegeben ist und der Zwischenabschluss zu Fortführungswerten keine Überschuldung aufweist. Ist die Annahme der Fortführung nicht gegeben, so genügt ein Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten.
2 Der Verwaltungsrat lässt die Zwischenabschlüsse durch die Revisionsstelle oder, wenn eine solche fehlt, durch einen zugelassenen Revisor prüfen; er ernennt den zugelassenen Revisor.
3 Ist die Gesellschaft gemäss den beiden Zwischenabschlüssen überschuldet, so benachrichtigt der Verwaltungsrat das Gericht. Dieses eröffnet den Konkurs oder verfährt nach Artikel 173a des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs.
4 Die Benachrichtigung des Gerichts kann unterbleiben:
- wenn Gesellschaftsgläubiger im Ausmass der Überschuldung im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktreten und ihre Forderungen stunden, sofern der Rangrücktritt den geschuldeten Betrag und die Zinsforderungen während der Dauer der Überschuldung umfasst; oder
- solange begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert angemessener Frist, spätestens aber 90 Tage nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse, behoben werden kann und dass die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden.
5 Verfügt die Gesellschaft über keine Revisionsstelle, so obliegen dem zugelassenen Revisor die Anzeigepflichten der eingeschränkt prüfenden Revisionsstelle.
6 Der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle oder der zugelassene Revisor handeln mit der gebotenen Eile.
c. Anzeigepflicht
Art. 729c OR
Ist die Gesellschaft offensichtlich überschuldet und unterlässt der Verwaltungsrat die Anzeige, so benachrichtigt die Revisionsstelle das Gericht.
Weiterführende Informationen
Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung
Überschuldungsanzeige durch Revisionsstelle
Überschuldung
Rangrücktritt
Quelle
Bürgi Nägeli Redaktionsteam