Konkurs / Zivilprozessrecht – Berufungsschrift in Kollokationsprozess: Rechtzeitige Postaufgabe, Rücklauf wegen abgerissener Adressetikette und sofortige unveränderte Paket-Einreichung per Kurier

ZPO 143 Abs. 1 / BV 29 Abs. 1

Sachverhalt

Die Einreichung der Berufungsschrift in einer Kollokationsstreitigkeit am letzten Tag der Frist an die Rechtsmittelinstanz nahm einen unglücklichen Verlauf:

  • Korrekte Adressierung;
  • Korrekte Frankierung;
  • Korrekte Aufgabe bei der schweizerischen Post;
  • Abfallen der Adressetikette während des Posttransports;
  • Retournierung des Pakets an den Absender infolge Unzustellbarkeit.

Erwägungen des Bundesgerichts

Gemäss Bundesgericht (BGer) erfolgte die postalische Berufung auch dann fristwahrend, wenn der Absender die ungeöffnete Sendung im zweiten Anlauf per Kurier der Berufungsinstanz zustellte:

Entscheid des Bundesgerichts

Die Beschwerde war gutzuheissen und der angefochtene Nichteintretensbeschluss aufzuheben. Die Sache wurde an die Vorinstanz zur Sachverhaltsfeststellung über die Identität der von der Post retournierten Sendung (vom 24.02.2022) und der beim Gericht eingereichten Eingabe (vom 02.03.2022) und zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen.

Sodann wurde die Sache zur neuen Festsetzung der Kosten des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen (BGG 67).

Bei diesem Ausgang wurde die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (BGG 66 Abs. 1, BGG 68 Abs. 1).

BGer 5A_866/2022 vom 29.08.2023

Art. 143 ZPO   Einhaltung

1 Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Gericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden.

2 Bei elektronischer Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind.61

3 Die Frist für eine Zahlung an das Gericht ist eingehalten, wenn der Betrag spätestens am letzten Tag der Frist zugunsten des Gerichts der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in der Schweiz belastet worden ist.

61 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 5 des BG vom 18. März 2016 über die elektronische Signatur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651BBl 2014 1001).

Art. 29 BV   Allgemeine Verfahrensgarantien

1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.

2 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.

3 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.

Quelle

Redaktionsteam Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

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