Sozialversicherungsrecht / Aktiengesellschaft – AG-Verwaltungsrat: Schadenersatzpflicht für nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge

AHVG 52 / OR 716a

Das Mitglied des Verwaltungsrates (VR) einer Aktiengesellschaft, welches seinen Pflichten gemäss OR 716a nicht nachkam, handelte prinzipiell grobfahrlässig im Sinne von AHVG 52:

  • Dieses grobfahrlässige Verhalten kann laut Bundesgericht (BGer) zu einer Schadenersatzpflicht des VR-Mitglieds führen, selbst wenn dieses keine Verfügungsmacht über die Bankkonten hatte.

BGer 9C_333/2023 vom 02.08.2023

Art. 52 AHVG 280 Haftung

1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.

2 Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.281

3 Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts282 über die unerlaubten Handlungen.283

4 Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.284

5 In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG285 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.

6 Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.

280 Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des BG vom 6. Okt. 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, in Kraft seit 1. Jan. 2003 (AS 2002 3371BBl 1991 II 185 9101994 V 9211999 4523).

281 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Juni 2011 (Verbesserung der Durchführung), in Kraft seit 1. Jan. 2012 (AS 2011 4745BBl 2011 543).

282 SR 220

283 Fassung gemäss Anhang Ziff. 21 des BG vom 15. Juni 2018 (Revision des Verjährungsrechts), in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5343BBl 2014 235).

284 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Juni 2011 (Verbesserung der Durchführung), in Kraft seit 1. Jan. 2012 (AS 2011 4745BBl 2011 543).

285 SR 830.1

2. Unübertragbare Aufgaben

Art. 716a OR 579

1 Der Verwaltungsrat hat folgende unübertragbare und unentziehbare Aufgaben:

  1. die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen;
  2. die Festlegung der Organisation;
  3. die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung, sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist;
  4. die Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen;
  5. die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen;
  6. die Erstellung des Geschäftsberichtes580 sowie die Vorbereitung der Generalversammlung und die Ausführung ihrer Beschlüsse;

7.581 die Einreichung eines Gesuchs um Nachlassstundung und die Benachrichtigung des Gerichts im Falle der Überschuldung;

8.582 bei Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind: die Erstellung des Vergütungsberichts.

2 Der Verwaltungsrat kann die Vorbereitung und die Ausführung seiner Beschlüsse oder die Überwachung von Geschäften Ausschüssen oder einzelnen Mitgliedern zuweisen. Er hat für eine angemessene Berichterstattung an seine Mitglieder zu sorgen.

579 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 4. Okt. 1991, in Kraft seit 1. Juli 1992 (AS 1992 733BBl 1983 II 745).

580 Berichtigt von der Redaktionskommission der BVers [Art. 33 GVG – AS 1974 1051].

581 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020 (Aktienrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2020 40052022 109BBl 2017 399).

582 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020 (Aktienrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2020 40052022 109BBl 2017 399).

Weiterführende Informationen

Quelle

Bürgi Nägeli Redaktionsteam

Die Kommentare sind geschlossen.