Handelsgericht: Keine restriktive Zuständigkeitsauslegung

ZPO 6 Abs. 2 / ZPO 91 + GOG 44

Prozessgeschichte

Die Gesuchstellerin betreute als Vermögensverwalterin einen US-amerikanischen Kunden. Die Bank, bei welcher hiefür das Depot geführt wurde, wollte die Daten der US-Steuerbehörde zur Verfügung stellen und damit auch den Namen der Vermögensverwalterin bekanntgeben. Diese verlangte im Sinne einer vorsorglichen Massnahme, das solle der Bank verboten werden. Das Einzelgericht trat auf das Begehren nicht ein.

Argumente der Vorinstanz

Die Vorinstanz erwog, die Gesuchstellerin sei gemäss HR-Zweckumschreibung in der Anlageberatung und Vermögensverwaltung tätig. Sie sei für ihren Kunden R. als Vermögensverwalterin und Anlageberaterin tätig gewesen. Dieser Kunde sei gleichzeitig Bankenkunde gewesen. Deshalb seien Angaben zur Gesuchstellerin in das Dossier des gemeinsamen Kunden R. der Bank gelangt. R. habe die Bank ermächtigt, sämtliche ihn betreffenden „Account Records“ an das Department of Justice der USA auszuhändigen. Würde die Herausgabe erfolgen, so wären auch Daten der Gesuchstellerin betroffen. Gemäss ZPO 6 Abs. 2 lit. a müsse zur Erfüllung des Begriffs des handelsrechtlichen Streites ein mindestens loser Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand und der geschäftlichen Tätigkeit mindestens einer Partei gegeben sei. Dazu sei nicht erforderlich, dass zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis bestehe. Da Anknüpfungspunkt nicht die Natur des Anspruchs, sondern der geschäftliche Bezug des Streitgegenstandes sei, würden auch Ansprüche aus Delikt oder ungerechtfertigter Bereicherung unter ZPO 6 Abs. 2 lit. a fallen. Die strittige Herausgabe der Dokumente basiere auf der Vertragsbeziehung von R. zur Bank, der seine Ermächtigung zur Datenherausgabe auf die auftragsrechtliche Herausgabe- und Rechenschaftspflicht stütze. Damit sei zumindest die geschäftliche Tätigkeit der Bank betroffen. Weiter führte die Vorinstanz aus, die Gesuchstellerin stütze den von ihr behaupteten Unterlassungsanspruch auf das Datenschutzgesetz (DSG) und das Persönlichkeitsrecht, weshalb der Streit als nichtvermögensrechtlich zu qualifizieren sei. Die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht im Sinne von ZPO 6 Abs. 2 lit. b stehe deshalb offen. Da im Übrigen auch beide Parteien im Handelsregister eingetragen seien, sei auch die dritte Anforderung gemäss ZPO. 6 Abs. 2 lit. c erfüllt, weshalb ein handelsrechtlicher Streit vorliege, für dessen Behandlung das Handelsgericht sachlich zuständig sei. Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, dass ZPO 6 den Begriff der handelsrechtlichen Streitigkeit abschliessend definiere und die Kantone die Kompetenz zur Einrichtung eines Handelsgerichts nur ganz oder überhaupt nicht, nicht aber teilweise ausschöpfen könnten. Die Frage, ob sich die Zuständigkeit des Handelsgerichts aufgrund von GOG 44 lit. b ergeben würde, könne deshalb offen gelassen werden. Doch selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Kantone die Kompetenz zur Einrichtung eines Handelsgerichts nur teilweise ausschöpfen könnten, wäre die Zuständigkeit des Handelsgerichts gegeben. Nach dem Wortlaut von GOG 44 lit. b sei zwar ein Mindeststreitwert von CHF 30’000.00 erforderlich, doch zeige eine Auslegung der Bestimmung, dass auch nicht vermögensrechtliche Streite erfasst seien.

Zusammengefasste Erwägungen des Obergerichts

Der vorliegende Streit ist ein handelsrechtlicher im Sinne von ZPO 6 Abs. 2. Der Streitwert beträgt mindestens CHF 30’000. Das Handelsgericht ist deshalb für die Klage auf Unterlassung der Datenherausgabe gemäss GOG 44 lit. b i.V.m. ZPO 6 Abs. 1 und 2 zuständig. Gemäss ZPO 6 Abs. 5 ist es auch für das Massnahmebegehren vor Eintritt der Rechtshängigkeit der Hauptklage zuständig. Ob eine Sache vermögensrechtlich ist oder nicht, beurteilt sich nicht nur nach der Anspruchsgrundlage, sondern nach allen konkreten Umständen. Das Zürcher Handelsgericht ist auch für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten zuständig, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Zuständigkeit wäre also auch zu bejahen, wenn von einem nicht vermögensrechtlichen Streit ausgegangen würde, da sowohl ZPO 6 Abs. 2 lit. b als auch GOG 44 lit. b diese Streitigkeiten erfassen.

Der vorinstanzliche Entscheid war also im Ergebnis richtig, weshalb die Berufung abzuweisen war.

Quelle

Urteil Obergericht des Kantons Zürich vom 24.02.2014 (LF130075)

Art. 6 ZPO   Handelsgericht

1 Die Kantone können ein Fachgericht bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist (Handelsgericht).

2 Eine Streitigkeit gilt als handelsrechtlich, wenn:

a.

die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist;

b.

gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht; und

c.

die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind.

3 Ist nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen, sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt, so hat die klagende Partei die Wahl zwischen dem Handelsgericht und dem ordentlichen Gericht.

4 Die Kantone können das Handelsgericht ausserdem zuständig erklären für:

a.

Streitigkeiten nach Artikel 5 Absatz 1;

b.

Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften.

5 Das Handelsgericht ist auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Eintritt der Rechtshängigkeit einer Klage zuständig.

Weiterführende Informationen / Linktipps

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