Missbräuchliche Änderungskündigung?

OR 336 und OR 336a

Dem Arbeitsgericht Zürich wie auch berufungsweise dem Obergericht des Kantons Zürich wurde folgende Streitsache, die im Kontext mehrerer strittiger Themen stand, zur Beurteilung vorgelegt:

  1. Arbeitgeberin
    1. X AG, welche in Konzern Z eingegliedert wurde und unter der Firma Y weitergeführt wurde
  2. Arbeitnehmer
    1. Geschäftsführer der X AG (seit Januar 1989)
    2. Alter bei Aenderungsdiskussion: 62 Jahre
  3. Änderungsofferte 1
    1. Neue Funktion (Leiter Beratung und Technik)
    2. wesentlich niedrigerer Monatslohn
    3. 3 Monate Kündigungsfrist
  4. Ablehnung durch den Arbeitnehmer
  5. Änderungsofferte 2
    1. Neue Funktion (Verwaltungsrats-Präsident)
    2. wesentlich tieferes Salär
    3. 4 Monate Kündigungsfrist
  6. Ablehnung durch den Arbeitnehmer
  7. Änderungsofferte 3
    1. Lohnreduktion
  8. Ablehnung durch den Arbeitnehmer
  9. Gleichentags Kündigung durch die Arbeitgeberin unter Einhaltung der 6-monatigen Kündigungsfrist
  10. Arbeitnehmer betrachtet die Kündigung als missbräuchlich.

Für das Arbeitsgericht stellten sich auf die Klage des Arbeitnehmers hin die folgenden Fragen:

  • Prüfung, ob betriebliche Gründe die Entlassung des Arbeitnehmers als plausibel erscheinen lassen
  • Beachtung, dass die Arbeitgeberin auch im Rahmen ihrer Aenderungskündigung mit Blick auf die Biographie des Klägers an erhöhte Fürsorgepflichten gebunden war.

Erfüllung des Missbrauchstatbestands?

  • Voraussetzungen
  • Sachverhalt
    • Unbestritten:
      • Gewinnreduktion unter der Verantwortung des Arbeitnehmers von 25 % (2002) auf 3,2 % (2008)
      • 2006 und 2007: Nichterreichen der bonusrelevanten Ziele
    • Umstritten
      • Zielverfehlung infolge der gegen den Willen des Arbeitnehmers 2007 von X auf Weisung von Z installierten Verkaufs- bzw. Marketingabteilung, die 2008 wieder aufgelöst worden sei
      • Ausbezahlter Bonus sei einzig auf den Geschäftserfolg des Konzerns zurückzuführen.

Das Arbeitsgericht prüfte in der Folge die einzelnen Vorbringen der Parteien:

  • Ergebnisverschlechterung
  • „Grosses Dankeschön“ der Arbeitgeberin trotz Gewinnmargenreduktion um 8 %
  • Höchster Lohn des Arbeitnehmers im Konzern (Gleichbehandlungsgebot für andere Konzernleiter)
  • Alter von 62 Jahre
  • Lange Betriebszugehörigkeit (> 20 Jahre)
  • Keine Biographien-Behauptungen bezüglich der anderen Konzern-Geschäftsführer für den Lohnvergleich mit dem Lohn des Klägers
  • Angeblich grosszügiges „Auflösungspaket“ der Arbeitgeberin
    • Briefwechsel im Anschluss an Kündigung lasse nicht auf Grosszügigkeit schliessen
    • Angebot auf Mandatsbasis beinhaltete Abhängigkeits- und andere Risiken (Mandatsdauer, Höhe des erzielbaren Honorars etc.)
  • Zwischenfazit
    • Nackte Geschäftszahlen motivierten die Arbeitgeberin den Lohn des Arbeitnehmers zu reduzieren
    • Dauer bis zur Pensionierung: 2 Jahre
    • Einsparpotential: ca. CHF 48‘000
    • Obwohl Arbeitnehmer Turnaround nicht schaffte, hätte in seiner Funktion belassen werden sollen.

Die Änderungskündigung der Arbeitgeberin war damit nicht als betrieblich oder marktbedingt sachlich gerechtfertigt zu qualifizieren.

Nach Ansicht des Arbeitsgerichtes Zürich

  • hatte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer missbräuchlich gekündigt, weshalb sie ihm eine Entschädigung nach OR 336a zu bezahlen habe;
  • war unter Berücksichtigung aller Umstände (lange Betriebszugehörigkeit, Alter, schwierige Stellensuche für 2 Jahre) und des grossen Ermessens eine Entschädigung in der Höhe von drei (Basis-)Monatslöhnen oder CHF 50‘760 zuzusprechen; der eingeklagte Verzugszins ab Klageanhebung war ausgewiesen.

Der Arbeitgeberin wurde jedoch zugutegehalten, dass sie nicht mit einer sog. „Denkzettelmentalität“ agierte; ihre ergebnisbedingte Lösungssuche sei nicht abwegig gewesen, nur habe sie die beiderseitige Interessenlage nicht sorgfältig genug gegeneinander abgewogen. 

Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte in diesem Aspekt das vorinstanzliche Urteil.

Autorenmeinung

Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch auf, dass der Weg nicht an einem konsequenten Grundsatzentscheid vorbeiführt:

  • Entweder man will fair sein, hält bewusst am langjährigen und doch verdienten Geschäftsleiter fest und lässt ihm eine intensivere konzernseitige Führungsbegleitung zukommen (positiver Lösungsansatz), verbunden mit der Einleitung der ohnehin anstehenden Nachfolgeregelung
  • oder man trifft den grundsätzlichen Personalentscheid
    • ordentliche Kündigung ohne Aenderungsangebote,
    • ohne wenn und aber.

Das gewählte Vorgehen

  • des Festhaltens am Geschäftsführer, ihn aber zur Lohneinbusse zu zwingen (negativer Lösungsansatz), funktioniert nicht nur juristisch, sondern auch emotional nicht (Störung der Arbeitnehmerbeziehung mit Frustrationsfolge, obwohl Leistungsbereitschaft und Vorbildfunktion beim Geschäftsführer unabdingbar sind)
  • kommt den Arbeitgeber – ganz abgesehen vom Imageverlust – nun teurer zu stehen als ein korrektes und ein konsequentes Verhalten; es gibt Lebenssituationen, wo man nicht beides gleichzeitig erreichen kann; der vorliegende Sachverhalt ist eine solche.

Quelle

AGer, AN 90311 vom 25.01.2011, Entscheide des Arbeitsgerichtes Zürich 2011, S. 28 ff.

OGer ZH, LA110013, vom 22.02.2012

(zu den Ferien vgl. Ferienanordnung-während-der-Kündigungsfrist)

Weiterführende Informationen / Linktipps

Änderungskündigung | aenderungskuendigung.ch

Missbräuchliche Kündigung | missbraeuchliche-kuendigung.ch

Rechtsfolgen | missbraeuchliche-kuendigung.ch

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