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Mietrecht – Wohnungs-Renovation: Bestimmung der zulässigen Mietzinserhöhung

OR 260 Abs. 1, OR 265 Abs. 1, OR 269, OR 269a lit. b, OR 269b, OR 269d Abs. 1, OR 265 Abs. 1, OR 270a, OR 270c; VMWG 14 Abs. 1, 2 und 4

Sachverhalt + History

«Eine 5-Zimmer-Wohnung in Genf wurde 2015/2016 umfassend renoviert. Die Vermieterin teilte den Mietern in der Folge eine Erhöhung des Mietzinses von bisher 905 Franken auf neu 1420 Franken mit. Das von den Mietern angerufene Mietgericht kam zum Schluss, dass eine Erhöhung des Mietzinses aufgrund des wertvermehrenden Anteils an den Investitionen (50 Prozent der gesamten Renovationskosten) auf 1’117 Franken gerechtfertigt sei. Das Kantonsgericht des Kantons Genf legte die zulässige Miete aufgrund seiner Berechnungen auf monatlich 985 Franken fest.»

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht (BGer) hiess die dagegen erhobene Beschwerde der Vermieterin gut. (BGer 4A_75/2022)

Erwägungen des Bundesgerichts

Im strittigen Fall ergaben sich folgende Entscheidungsgrundlagen und -erwägungen im Einzelnen:

  • Mietzinsvorbehalt für Mehrleistungen
    • Im Rahmen eines an den Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) gebundenen Mietvertrages kann sich der Vermieter das Recht ausbedingen und vorbehalten, eine mehrleistungsbedingte Mietzinserhöhung zu verlangen (vgl. Erw.3).
      • Im konkreten Fall bildeten umfassende Renovationen die Mehrleistungen (vgl. Erw. 4.1 – 4.2).
  • Festlegung des zulässigen Mietzinses durch die Vorinstanz
    • Es legt den zulässigen Mietzins wie das Mietgericht auf monatlich 1’117 Franken (ohne Nebenkosten) fest.
  • Beanstandungen an den Erwägungen der Vorinstanz
    • Zu beanstanden waren
      • ein Rechnungsfehler;
      • die vom Kantonsgericht vorgenommene Ermittlung des zulässigen Ertrags aus den wertvermehrenden Investitionen.
  • Zulässiger Ertrag
    • Das Kantonsgericht hat den zulässigen Ertrag auf 2 % festgelegt,
      • ausgehend von einem
        • Referenzzinssatz von 1,5 %
        • + Zuschlag von 0,5 %.
  • Anwendung der alten bundesgerichtlichen Berechnungspraxis
    • Die Berechnungsweise entspricht der Praxis bis zur Praxisänderung des Bundesgerichts vor vier Jahren zur Ermittlung des zulässigen Anfangsmietzinses anhand der Nettorendite galt (vgl. BGE 147 III 14).
    • Gemäss der mit BGE 147 III 14 geänderten Bundesgerichtspraxis ist neu
      • ein Nettoertrag zulässig,
        • welcher den Referenzzinssatz um 2 % übersteigt, solange der Referenzzinssatz 2 % oder weniger beträgt.
    • Der Nettoertrags-Modus ist auch für die Festlegung des zulässigen Ertrags
      • Der beim Nettoertrag erwähnte Modus ist auch für die Festlegung des zulässigen Ertrages bei einer Mietzinserhöhung aufgrund wertvermehrender Investitionen anzuwenden.
  • Zulässige Erhöhung im konkreten Fall
    • Insgesamt ergibt sich im konkreten Fall
      • eine zulässige Erhöhung des Mietzinses um 23,5 % (anstatt der 20,6 % gemäss Berechnungen der Vorinstanz).
  • Begründung der Praxisänderung von 2020
    • Die Praxisänderung von 2020 begründete das Bundesgericht massgeblich mit dem über die Jahre nachhaltig gesunkenen Referenzzinssatz:
      • von 5,5 % in 1986 auf 1,25 % in 2020) und
      • dem ansonsten unangemessenen Ertrag für Vermieter.
  • Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung
    • Bereits unter der früheren Rechtsprechung wurden gleich festgelegt
      • der zulässige Ertrag wertvermehrender Investitionen und
      • der zulässige Nettoertrag bei der Prüfung des Anfangsmietzinses.
  • Parallelismus von zulässigem Ertrag und zulässigem Nettoertrag
    • Laut Bundesgericht ist dieser Parallelismus beizubehalten.
    • Insbesondere entspricht es auch dem vom Gesetzgeber angestrebten Vermieteranreiz pro
      • Immobilien-Unterhalt
      • Gebäude-Renovation.
  • Keine Mietzinsreduktion wegen indexiertem Mietvertrag
    • Weiter hat die von den Mietern kompensationsweise geltend gemachte Mietzinsreduktion wegen des gesunkenen Referenzzinssatzes vorliegend unberücksichtigt zu bleiben,
      • handelt es sich um einen indexierten Mietvertrag.
  • Indexierter Mietervertrag + Anfechtungsmöglichkeit der Mietzinsanpassung bei Mehrleistungen
    • Bei einem Mietvertrag mit indexierter Miete hängt die Veränderung des Mietzinses allein vom Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) ab.
    • Gemäss Bundesgericht haben die Mieter daher die Möglichkeit, die Mietzinsanpassung aufgrund von Mehrleistungen des Vermieters als missbräuchlich anzufechten.

BGE 4A_75/2022 vom 30.07.2024

Weiterführende Informationen

Quelle

Bürgi Nägeli Rechtsanwälte