Retrozessionen

Seit dem Leitentscheid BGE 132 III 460 aus dem Jahre 2006 haben Vermögensverwalter (Beauftragte) gestützt auf OR 400 Abs. 1 dem Kunden sog. Retrozessionen herauszugeben, die sie von der Bank des Kunden ausbezahlt erhalten.

Das Bundesgericht hat in BGE 4A_266/2010 bestätigt, dass ein pauschaler Vorausverzicht auf die Herausgabe von Retrozessionen im Hinblick auf die damit verbundene Gefahr von Interessenkonflikten problematisch sei. Eine Parteivereinbarung, wonach allfällige Retrozessionen beim Vermögensverwalter verbleiben würden, erfordere, dass der Kunde über die zu erwartenden Retrozessionen hinreichend informiert sei.

Informationen

Der Vermögensverwalter sollte für einen Vorausverzicht den Kunden über folgende Eckdaten informieren:

  • Umfang der Retrozessionen
  • Berechnungsgrundlage der Retrozessionen
  • Kostenstrukturen des Vermögensverwaltungsmandates
  • Wissen um das konkrete Entschädigungsmodell
  • Beurteilung der Relation von Vermögensverwaltungskosten mit und ohne Rückvergütungen

Nach der Lehre und Rechtsprechung ist der Informationspflicht für einen Vorausverzicht Genüge getan, wenn „die Höhe der erwarteten Rückvergütungen in einer Prozentbandbreite des verwalteten Vermögens angegeben wird“.

Informationsziel

Der Kunde ist entscheidungsfähig für das Zusammenspiel der beiden folgenden Aspekte zu machen:

  • Gesamtkosten des Vermögensverwaltungsmandates
  • Erkennbarkeit der konkreten Anreizstrukturen und der dadurch vorhandenen Interessenkonflikte

Neu: Anlegerschutzaspekt

Das Bundesgericht betont neu, dass eine Gefahr von Interessenkonflikten durch Retrozessionen bestünde und, dass den Vermögensverwalter aufgrund seiner auftrags-rechtlichen Treuepflicht vorvertraglich eine Aufklärungspflicht treffe.

Pensionskassen

Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) hat bereits Ende 2007 die Pensionskassen-Organe angewiesen, „allfällige Rechte aus entsprechenden Vertragsverhältnissen rückwirkend für die letzten zehn Jahre zu prüfen und das Amt zu orientieren“. Bezeichnenderweise ist die Klägerin von BGE 4A_266/2010 eine Pensionskasse. Für Pensionskassen gilt aufgrund der am 01.01.2012 in Kraft getretenen BVV 2-Revision:

  • Pflicht zur schriftlichen Festlegung der Retrozessionen-Handhabung im Voraus
  • Offenlegung des Retrozessionen-Verzichts im Anhang zur Jahresrechnung.

Das Ergebnis aus Retrozessionen steht den Versicherten zu. Stiftungsräte tun angesichts ihrer treuhänderischen Sorgfaltspflicht zur Vermeidung einer Organhaftung gut daran, der Pensionskasse unrechtmässig entzogene Vermögenswerte, d.h. Retrozessionen, einzufordern.

Gesetzgebungsvorhaben finma

Die finma will die wichtigen und grösstenteils ungeklärten Fragen um die Retrozession auf Gesetzesebene regeln.

Quelle

BGE 4A_266/2010 vom 29.08.2011

Weiterführende Informationen / Linktipps

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