Steuern / StHG / StG/ZH / Grundstückgewinnsteuer – Immobilienbetrieb?

StHG 8 Abs. 3 lit. b und StHG 12; § 19 Abs. 1 lit. b und § 216 StG/ZH

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann für eine Qualifikation als «Immobilienbetrieb» die vorausgesetzte professionelle Immobilienbewirtschaftung – auch ohne eigenes Personal – durch Dritte im auftragsrechtlichen Mandatsverhältnis erfolgen.

Sachverhalt

«A.a. A.________, geb. 1939, führte als gelernter Bäcker-Konditor bis 1999 vier Bäckereifilialen im Kanton Zürich. Danach zog er sich schrittweise aus dem Bäckerbetrieb zurück und übertrug diesen einem Nachfolger. Zwischen 1980 und 1995 erwarb er mehrere Liegenschaften im Kanton Zürich – u.a. in X.________ – und im Kanton Luzern. Sämtliche Liegenschaften sind vermietet. Mit Verwaltungsvertrag vom 19. April 2000 beauftragte er die B.________ u.a. mit der Verwaltung, Vermietung, dem Inkasso sowie der Erstellung der Abrechnungen hinsichtlich der im Kanton Zürich gelegenen Liegenschaften.  

A.b. Während A.________ die Liegenschaften bis 2016 stets im Privatvermögen deklariert hatte, gab er in der Steuererklärung 2016 erstmals an, sie im Geschäftsvermögen zu halten. Rund ein Jahr später entschied er sich im Zuge der Nachfolge- und Nachlassplanung, das im Einzelunternehmen gehaltene Immobilienportfolio in eine Aktiengesellschaft einzubringen. Am 3. Juli 2017 stellte er beim Steueramt des Kantons Zürich ein Gesuch um steuerlichen Vorbescheid hinsichtlich der geplanten Überführung; er ersuchte um eine Bestätigung, dass es sich bei der Liegenschaftenverwaltung um einen Betrieb handle, der steuerneutral auf eine juristische Person übertragen werden könne. Das kantonale Steueramt erklärte sich mit Ruling vom 10. Juli 2017 damit einverstanden. In der Folge stellte A.________ bei sämtlichen Gemeinden in Bezug auf die in ihrem Gemeindegebiet gelegenen Liegenschaften ein Gesuch um steuerlichen Vorbescheid, dass infolge steuerneutraler Umstrukturierung die Grundstückgewinnsteuer aufgeschoben werde. Im Gegensatz zu den übrigen Gemeinden beantwortete die Gemeinde X.________ die Anfrage am 6. September 2017 abschlägig und hielt daran trotz Wiedererwägungsgesuch fest.  

B.  

A.________ trug am xx.xx.2017 die Einzelunternehmung „C.________“ im Handelsregister des Kantons Nidwalden ein. Mit öffentlicher Beurkundung vom xx.xx.2017 übertrug die Einzelunternehmung rückwirkend auf den xx.xx.2017 sämtliche Liegenschaften an die D.________ AG mit Sitz in U.________, deren Alleinaktionär A.________ ist. Mit Grundstückgewinnsteuererklärung vom 12. Januar 2018 ersuchte A.________ das Steueramt X.________ um Aufschub der Grundstückgewinnsteuer infolge steuerneutraler Umstrukturierung. …» (Quelle: Bundesgerichtsentscheid).

Verfahrens-History

  • Veranlagungsbehörde
    • Nach umfangreicher Korrespondenz und einer Besprechung vom 6. August 2018 auferlegte die Gemeinde X.________ mit Veranlagung vom 14. März 2019 A.________ eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. 629’219.50.
    • Mit Einspracheentscheid vom 20. Mai 2019 wurde der Veranlagungsentscheid bestätigt.
  • Steuerrekursgericht des Kantons Zürich
    • Abweisung des dagegen erhobenen Rechtsmittels durch das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich am 15. Juli 2021.
  • Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
    • Abweisung des gegen den Entscheid des Steuerrekursgerichts erhobenen Rechtsmittels durch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 26. April 2022. 
  • Bundesgericht
    • Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 15. Juni 2022 beantragte A.________ dem Bundesgericht, in Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts sei die Grundstückgewinnsteuer vollumfänglich aufzuschieben, eventualiter sei die Sache zum Neuentscheid an die Gemeinde zurückzuweisen. 

Erwägungen des Bundesgerichts

Die Erwägungen des Bundesgerichts (BGer) ergaben zusammengefasst folgende Erkenntnisse:

  • Gesetzliche Grundlagen
    • § 216 StG/ZH + StHG 12 Abs. 1
  • Grundstückgewinnsteuer
    • Steuerpflicht
      • Eine Grundstückgewinnsteuer wird erhoben von den
        • Gewinnen, die sich bei Handänderungen an Grundstücken oder
        • Anteilen von solchen ergeben.
    • Steueraufschub
      • Aufgeschoben wird sie unter gewissen Voraussetzungen, u. a.
        • bei der Umstrukturierung eines Personenunternehmens,
          • insbesondere bei der Übertragung eines Betriebs oder eines Teilbetriebs auf eine juristische Person
      • Vgl. § 216 Abs. 3 lit. d i.V.m. § 19 Abs. 1 lit. b StG/ZH; StHG 12 Abs. 4 lit. a i.V.m. StHG 8 Abs. 3 lit. b.
  • Betriebsdefinition
    • Betriebsbegriff bei der Umstrukturierung
      • Als «Betrieb» im Rahmen des steuerlichen Umstrukturierungsrechts gilt
        • jeder organisatorisch-technische Komplex von Vermögenswerten,
          • der im Hinblick auf die unternehmerische Leistungserbringung bildet:
            • eine relativ unabhängige,
            • organische Einheit.
      • Ein Betrieb zeichnet sich aus
        • durch einen hohen Grad an Unabhängigkeit aus und
        • durch das Imstandesein, selbständig fortzubestehen.
    • Auslegung des Betriebsbegriff bei der Umstrukturierung
      • Bei einer Unternehmens-Umstrukturierung wird der Betriebsbegriff weitergehend ausgelegt als im Zusammenhang mit der periodischen Besteuerung.
    • Betriebsbegriff in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
      • Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt die Verwaltung «eigener Immobilien» nur ausnahmsweise als Betrieb.
  • Immobilienverwaltung als Betrieb
    • Gemäss BGer erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass eine Immobilienverwaltung die typischen Eigenschaften eines Betriebs im steuerrechtlichen Sinn erfüllt, wenn sie über den Rahmen blosser Vermögensverwaltung hinaus eine grosse Zahl von Liegenschaften durch eigene Dienstleistungen (Vermietung, Verwaltung) betreut oder mit ihnen auch Handel treibt.
  • Betriebs-Voraussetzungen bei Immobiliengesellschaft
    • Kern-Voraussetzungen
      • Von einem Betrieb kann laut BGer nur gesprochen werden,
        • wenn sich die Verwaltung nicht in dem erschöpft,
          • was mit der blossen Kapitalanlage einer Unternehmung in Immobilien ohnehin verbunden ist.
    • Halten und Verwalten eigener Immobilien
      • Gemäss Kreisschreiben (Verwaltungsverordnung) der ESTV (heute Ziff. 3.2.2.3 des Kreisschreibens Nr. 5a vom 1. Februar 2022, früher Kreisschreibens Nr. 5) stellt das Halten und Verwalten eigener Immobilien einen Betrieb dar, wenn kumulativ gegeben sind:
        • a) Marktauftritt oder Vermietung von Betriebsliegenschaften an Konzerngesellschaften;
        • b) Beschäftigung oder Beauftragung mindestens einer Person für die Verwaltung der Immobilien durch das Unternehmen und
        • c) Mieterträge im Umfange von mindestens des 20-fachen des marktüblichen Personalaufwandes für die Immobilienverwaltung.
  • Entstehungsmaterialien des Gesetzgebers
    • Gemäss den Entstehungsmaterialien wollte der Gesetzgeber keine übersetzten Anforderungen an die Qualifikation einer Immobiliengesellschaft als Betrieb stellen. Im Vordergrund standen für ihn
      • die professionelle Immobilienbewirtschaftung.
  • Eigen- oder Fremdverwaltung?
    • Die professionelle Immobilienbewirtschaftung hängt nicht davon ab, ob die Verwaltung vom Immobilienunternehmen selbst ausgeführt wird oder durch Dritte im Auftragsverhältnis erfolgt.
    • Falls sich der Verwaltungsaufwand in Grenzen hält, ergibt es für ein Unternehmen betriebswirtschaftlich wenig Sinn, die Verwaltung selbst vorzunehmen, sondern durch Outsourcing vom Know-how spezialisierter Unternehmen zu profitieren.
  • ESTV-Kreisschreiben Nr. 5 bzw. 5a
    • Vor diesem Hintergrund konkretisiert laut BGer das ESTV-Kreisschreiben Nr. 5 bzw. 5a die rechtlichen Vorgaben überzeugend,
      • indem es neben der Beschäftigung auch die Beauftragung einer (Dritt-)Person für die Verwaltung zulässt.
  • In concreto
    • Im vorliegenden Fall war es unbestritten, dass die vom Beschwerdeführer erworbenen Liegenschaften seit Jahren
      • vermietet werden,
      • einen hohen Ertrag abwerfen und
      • eine professionelle Immobilienbewirtschaftung besteht. 
  • Steuerumgehung als Verweigerungsgrund
    • Die Gemeinde X.________ hatte den Steueraufschub im Einsprache-Entscheid vom 20. Mai 2019 auch wegen einer Steuerumgehung verweigert:
      • Die Steuerumgehung ist von den Vorinstanzen – angesichts der von ihnen vertretenen Rechtsauffassung konsequenterweise – nicht geprüft worden.
      • Deshalb rechtfertigte es sich nicht, dass das Bundesgericht in der Sache selbst entscheidet.
      • Die Sache war daher an das Steuerrekursgericht zur allfälligen weiteren Untersuchung und zum Neuentscheid zurückzuweisen. 

Dies führte zur Gutheissung der Beschwerde. 

Entscheid des Bundesgerichts

  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. April 2022 aufgehoben. Die Sache wird zum Neuentscheid im Sinne der Erwägungen an das Steuerrekursgericht zurückgewiesen.
  2. Die Gerichtskosten von Fr. 10’000.- werden der Gemeinde X.________ auferlegt.
  3. Die Gemeinde X.________ hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 8’500.- zu bezahlen. 
  4. Die Sache wird zur Neuverlegung der kantonalen Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
  5. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonalen Steueramt Zürich, dem Steuerrekursgericht des Kantons Zürich, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 2. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 

BGer 9C_608/2022 vom 13.11.2023

Weiterführende Informationen

Quelle

Redaktionsteam Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

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