Immobilien – Enteignung: Höhe der Entschädigung für Vorgartenland und Unfreiwilligkeitszuschlag?

AbtrG/ZH § 13 Abs. 1 (Gesetz vom 30.11.1879; LS ZH 781)

Sachverhalt

Im Rahmen eines Enteignungsverfahrens in der Kernzone der Gemeinde Fehraltorf waren sich die Parteien, d.h. A.________ und der Kanton Zürich, uneinig,

  • ob es sich bei der abzutretenden Fläche von rund 22 m² um sog. „Vorgartenland“ handle und die Abtretungsentschädigung deshalb herabzusetzen sei;
  • ob A.________ Anspruch auf eine Minderwertentschädigung und einen Unfreiwilligkeitszuschlag habe.

Mit Entscheid vom 14.02.2019 verpflichtete die Schätzungskommission den Staat Zürich, A.________ den vollen Landwert von Fr. 890.– pro m² (statt bloss Fr. 590.– pro m²) zu bezahlen. Einen Anspruch auf eine Minderwertentschädigung und einen Unfreiwilligkeitszuschlag verneinte sie. 

Prozess-History

  • Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
    • Gegen den Entscheid der Schätzungskommission gelangten sowohl der Kanton Zürich als auch A.________ an das kantonale Verwaltungsgericht.
    • Mit Urteil vom 14.11.2019 hiess dieses den Rekurs des Kantons Zürich gut.
      • Es beurteilte den abzutretenden Landstreifen als „Vorgartenland“ bzw. minderwertiges Land und reduzierte die Abtretungsentschädigung auf Fr. 590.– pro m².
      • Den Rekurs von A.________ wies es ab.
  • Bundesgericht
    • Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 30.12.2019 an das Bundesgericht beantragte A.________,
      • das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben,
      • die von der Schätzungskommission festgelegte Abtretungsentschädigung von Fr. 890.– pro m² zu bestätigen und
      • die Sache bezüglich des Unfreiwilligkeitszuschlags zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen oder
        • eventuell den Zuschlag selber festzusetzen.
      • Daneben stellte A.________ verschiedene Anträge bezüglich
        • der Kostenregelung im vorinstanzlichen und
        • der Kosten- und Entschädigungsfolgen des bundesgerichtlichen Verfahrens.
      • A.________ beantragte ferner den Beizug der Vorakten sowie gegebenenfalls die Entgegennahme seiner Eingabe als subsidiäre Verfassungsbeschwerde.
    • Der Kanton Zürich beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen

Das BGer beurteilte die beiden Streitfragen wie folgt:

  • Höhe der Entschädigung für Vorgartenland
    • Nutzbarkeit des Vorgartenlandes?
      • Die Vorinstanz hat sich zwar im angefochtenen Entscheid nicht zur Möglichkeit geäussert, den enteigneten Landstreifen unterirdisch bis an die Grenze der Kempttalstrasse zu nutzen.
        • Sie ist jedoch davon ausgegangen, die aus Gründen der Verkehrssicherheit ausgeschlossene oberirdische Nutzung rechtfertige zusammen mit dem Umstand, dass die Enteignung eine weitergehende Überbauung der Restparzelle nicht einschränke und auch sonst keinen Minderwert zur Folge habe, eine Beurteilung der enteigneten Fläche als „Vorgartenland“ bzw. minderwertiges Land im Sinne ihrer Praxis.
        • Diese Beurteilung erscheint weder als willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung, noch sonst als willkürlich (…).
        • Durch den Ausschluss der oberirdischen Nutzung, den der Beschwerdeführer nicht weiter in Frage stellt, ist die Verwendbarkeit des abzutretenden Landstreifens erheblich eingeschränkt.
        • Die Möglichkeit der unterirdischen Nutzung bis an die Strassengrenze, die der Kanton Zürich vor Bundesgericht nicht grundsätzlich bestreitet, erscheint zudem als vorwiegend theoretisch.
    • Qualifikation des Vorgartenlandes
      • Die Beurteilung des Landstreifens als „Vorgartenland“ bzw. minderwertiges Land im Sinne der vorinstanzlichen Praxis ist entsprechend ungeachtet dieser Nutzungsmöglichkeit unter Willkürgesichtspunkten nicht zu beanstanden.
    • Herabsetzung der Entschädigung um rund einen Drittel
      • In dem die Vorinstanz den vom Beschwerdeführer abzutretenden Landstreifen gemäss ihrer Praxis als „Vorgartenland“ bzw. minderwertiges Land beurteilt und die Entschädigung um (rund) ein Drittel des Baulandwerts herabgesetzt hat, ist weder bundesrechtswidrig und willkürlich, noch den allgemeinen Gleichheitssatz von BV 8 Abs. 1 verletzend.
  • Unfreiwilligkeitszuschlag
    • Zweck und Umfang eines Unfreiwilligkeitszuschlags
      • Die Vorinstanz hatte im angefochtenen Entscheid ausgeführt, gemäss § 13 Abs. 1 AbtrG/ZH könne ein Unfreiwilligkeitszuschlag bis zu 20 % des Verkehrswerts gewährt werden.
        • Dieser Zuschlag gleiche nicht wirtschaftliche Einbussen aus, sondern bilde den Gegenwert für die affektiven Bindungen des Eigentümers bzw. der Eigentümerin an sein bzw. ihr Hab und Gut.
        • Der Zuschlag werde nicht allgemein bei unfreiwilliger Landabtretung gewährt;
          • vielmehr würden damit besondere Beeinträchtigungen der persönlichen Verhältnisse abgegolten, welche die enteignete Person durch den zwangsweisen Entzug ihres Eigentums erleide.
        • Vorliegend sei das Begehren um Zusprechung eines Unfreiwilligkeitszuschlags unbegründet:
          • Der Verlust eines schmalen Landstreifens von nur gerade rund 22 m² sei ein ausgesprochen leichter Eingriff,
            • der weder den bestehenden Gewerbebetrieb, noch das Wohnen, noch eine allfällige zusätzliche bauliche Nutzung des Grundstücks in irgendeiner Weise beeinträchtige.
    • Nichtzulassung eines Unfreiwilligkeitszuschlags keine Willkür
      • Es ist entsprechend auch nicht als willkürliche Anwendung von § 13 Abs. 1 Satz 2 AbtrG/ZH zu beurteilen, wenn die Vorinstanz einen Anspruch auf Ausrichtung eines Unfreiwilligkeitszuschlags trotz der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gefahr der Darlehenskündigung und des Liegenschaftsverlusts verneint hat. 

Die Beschwerde erwies sich als unbegründet, woran die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers nichts zu ändern vermochten. 

Quelle

BGer 1C_681/2019 vom 19.05.2021

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