SchKG / Betreibung – Rechtsvorschlag-Vermerk des Zustellbeamten nur auf Schuldnerdoppel

SchKG 17 f., SchKG 20a, SchKG 70 und ZGB 8

Einleitung

Das Bundesgericht hatte sich mit der Frage zu befassen, bei wem und wie ein Rechtsvorschlag gültig erhoben wird.

Sachverhalt

B.________ leitete mit Zahlungsbefehl vom 24.04.2019 des Betreibungsamtes Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland in der Betreibung Nr. xxx gegen A.________, Inhaber der Einzelunternehmung A.________ Bauunternehmung, für eine Forderung von insgesamt Fr. 884.25 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 27.06.2018 auf Fr. 649.25 die Betreibung ein. Der Zahlungsbefehl konnte A.________ am 29.04.2019 zugestellt werden. Am 22.05.2019 stellte das Betreibungsamt A.________ auf Begehren von B.________ die Konkursandrohung zu.

Prozess-History

  • Obergericht des Kantons Bern
    • ________ erhob am 29.05.2019 gegen die Konkursandrohung beim Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen Beschwerde.
      • Er beantragte, die Konkursandrohung sei aufzuheben, weil er Rechtsvorschlag erhoben habe.
      • Mit Entscheid vom 20.08.2019 wies die Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab.
    • Bundesgericht
      • ________ gelangte mit Eingabe vom 02.092019 ist ans Bundesgericht, mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Konkursandrohung.

Erwägungen

Streitpunkt vor Bundesgericht war einzig noch die Frage, ob dem Beschwerdeführer der Nachweis gelungen war, dass er gegenüber der zustellenden Postbotin unmittelbar bei der Zustellung des Zahlungsbefehls Rechtsvorschlag erhoben hat.

Für die Vorinstanz war erstellt, dass der A.________ unmittelbar bei der Zustellung des Zahlungsbefehls keinen Rechtsvorschlag erhoben habe. Erst nach der Zustellung habe er die Postbotin C.________ privat kontaktiert, um sie zu bitten, den Rechtsvorschlag auf dem Schuldnerdoppel zu vermerken, was diese in der Folge auch getan habe.

A.________ macht geltend:

  • eine willkürliche Beweiswürdigung
  • er habe sehr wohl gleich bei der Zustellung gegenüber der Postbotin Rechtsvorschlagerhoben und habe sich dies schriftlich bestätigen lassen.
  • die Postbotin habe es versehentlich unterlassen, die Erhebung des Rechtsvorschlagsauch auf dem Gläubigerdoppel zu notieren.

Es sei somit festzustellen, dass der Rechtsvorschlag gültig erhoben worden sei.

Das Bundesgericht hält zunächst fest (Bestätigung der Rechtsprechung), dass

  • der Zahlungsbefehl jeweils im Doppel auszufertigen sei (vgl. SchKG 70 Abs. 1);
  • der Zahlungsbefehl-Überbringer bei der Abgabe auf beiden Zahlungsbefehl-Ausfertigungen zu bescheinigen habe, an welchem Tag und an wen die Zustellung erfolgt sei (vgl. SchKG 72 Abs. 2);
  • der Betriebene, wolle er Rechtsvorschlag erheben, dies sofort dem Zahlungsbefehl-Überbringer oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt zu erklären habe (vgl. SchKG 74 Abs. 1);
  • der Betriebene dem Zahlungsbefehl-Überbringer, insbesondere dem Postboten gegenüber, den Rechtsvorschlag solange erklären könne, als die Zustellung andauere;
  • nach beendigter Zahlungsbefehl-Zustellung der Rechtsvorschlagnicht mehr gegenüber einem Postboten oder Beamten erklärt werden könne;
  • der Rechtsvorschlagvor der zustellenden Person als erhoben gelte, falls er einzig auf dem Schuldnerdoppel vermerkt worden sei;
  • bei Abweichungen zwischen dem Schuldner- und dem Gläubigerexemplar bei der Fortsetzung der Betreibungdie dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend sei (SchKG 70 Abs. 1 Satz 3).

Bezüglich der Sachverhaltsermittlungspflicht der Aufsichtsbehörde (SchKG-AB) führte das Bundesgericht aus, dass,

  • soweit die richtige Gesetzesanwendung es erfordere,
    • die SchKG-AB die relevanten Tatsachen selber – von Amtes wegen – ermitteln müsse (Untersuchungsgrundsatz) und
    • nicht bloss abwarten dürfe,
      • ob die Parteien Instruktionsmassnahmen verlangten oder,
      • ob sie von sich aus geeignete Beweise beibrächten.
    • im betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren ZGB 8, aus dem die Rechtsprechung einen bundesrechtlichen Anspruch auf Abnahme anerbotener Beweise ableite, analoge Anwendung finde.

Das Bundesgericht erwog sodann, dass

  • die Vorinstanz die Postbotin ________ als Zeugin hätte anhören müssen;
  • im Beschwerdeverfahren nach SchKG 17 rechtsprechungsgemäss nicht so strenge Anforderungen an das Anerbieten von Beweisen gestellt werden dürften wie in einem Zivilprozess;
    • Das müsse insbesondere gelten, wenn es um
      • die Frage der Erhebung des Rechtsvorschlagsgehe und
      • die zustellende Person den Rechtsvorschlagüberdies auf dem Schuldnerdoppel unterschriftlich als geschehen verurkundet habe
    • der Verzicht auf eine persönliche Befragung eine Verletzung von ZGB 8 darstelle.

Entscheid

  1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 20. August 2019 wird aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
  3. Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1’000.– zu entschädigen.
  4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, B.________ und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Quelle

BGer 5A_680/2019 vom 10.12.2019

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