Aktiengesellschaft – Vinkulierte Namenaktien: Keine Pflicht der AG, dem Vorkaufsberechtigten die Aktionärsstellung zu verschaffen

OR 685a + OR 685b

Einleitung

Im vorliegenden Entscheid 4A_623/2018 hatte das Bundesgericht verschiedene Aspekte in die Entscheidfindung miteinzubeziehen, nämlich:

  • Vinkulierung von nicht kotierten Namenaktien
  • Aktivlegitimation
  • escape clause
  • Erstreckung einer vertraglichen Verpflichtung
  • Umgekehrter Durchgriff

Sachverhalt

Dem Bundesgerichtsurteil lag zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:

  • Parteien des vorliegenden Verfahrens und ihre Handlungsgrundlage
    • Die C AG als Hauptaktionärin der A AG (Beklagte und Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren) verkaufte ihre Aktien
    • B (Klägerin und Beschwerdegegnerin im vorliegenden Verfahren) machte daraufhin das ihr zustehende Vorkaufsrecht geltend
  • Prozessrunde 1
    • Bezirksgericht Plessur
      • Klage von B gegen die C AG, 963 einzeln bezeichnete Namenaktien blanko indossiert und Zug um Zug gegen Barzahlung oder Vorlage eines unwiderruflichen Zahlungsversprechens einer Schweizer Bank in der Höhe von rund CHF7 Mio. auf B zu übertragen
      • Gutheissung der Klage und Verpflichtung der C AG, die erwähnten Aktien zu übertragen
    • Kantonsgericht Graubünden
      • Abweisung der Berufung der C AG
      • Deponierung der blanko indossierten Namenaktien beim Verwaltungsrat der Beklagten (der A AG) durch die C AG, mit Antrag auf Übertragung der Aktien an B
  • Abklärungs- und Verhandlungsrunde
    • Verwaltungsratsausschuss der A AG
      • Der Verwaltungsratsausschuss der A AG besprach sich anschliessend mit ihrem Geschäftsführer und später auch mit der Klägerin, um sie und ihre Zukunftsabsichten für das Unternehmen zu erfahren
      • Der Geschäftsführer erklärte in diesen Gesprächen u.a., er würde die A AG verlassen, wenn ein Dritter wie B die Aktienmehrheit übernehmen würde
    • Verwaltungsrat der A AG
      • Nach Abschluss dieser Gespräche erklärte der Verwaltungsrat der A AG gegenüber B, er verweigere die Zustimmung zu einer Übertragung der Aktien an die Klägerin und werde diese nicht ins Aktienbuch eintragen
      • Sodann übe sie, die A AG, das statutarische Ankaufsrecht aus und werde die Aktien auf Rechnung Dritter, des Geschäftsführers, erwerben, sofern dieser dem Verwaltungsrat ein Kaufangebot in annehmbarer Höhe mache, welches dann der C AG unterbreitet würde
      • Der Geschäftsführer unterbreitete in der Folge zuhanden der Beklagten ein Angebot für die Aktien im Betrag von ca. CHF 2 Mio.
  • Prozessrunde 2
    • Bezirksgericht Plessur (ehemals Bezirksgericht Plessur)
      • B erhob wiederum Klage am Bezirksgericht Plessur:
        • nun gegen die A AG
        • Anträge (sinngemäss)
          • Es sei die A AG zu verpflichten, die Zustimmung zur Übertragung von 963 (einzeln bezeichneten) Namenaktien von der C AG auf sie zu erteilen und sie als Aktionärin ins Aktienbuch einzutragen
          • Es sei die Beklagte zu verpflichten, die bei ihr hinterlegten 963 Aktien an die Klägerin herauszugeben
        • Das Regionalgericht Plessur hiess die Klage von B gut
    • Kantonsgericht Graubünden
      • Das Kantonsgericht Graubünden schützte die Klage von B
    • Bundesgericht
      • Die A AG erhob gegen das Kantonsgerichts-Urteil Beschwerde beim Bundesgericht.

Erwägungen

In den Kernpunkten erwog das Bundesgericht:

  • Aktivlegitimation
    • Zur Klage gegen die A AG auf Zustimmung zur Übertragung und Eintragung ins Aktienbuch ist auch der durch die A. AG abgelehnte Erwerber der Aktien aktivlegitimiert (vgl. Erw. 2)
  • Gleichbehandlung und Rechtsmissbrauchsverbot
    • Wird die Übernahme der Aktien zum wirklichen Wert angeboten (escape clause), muss der Entscheid dennoch das Gleichbehandlungsgebot achten und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein
    • Verneinung des Rechtsmissbrauchs in casu (vgl. Erw. 3.2)
  • Umgekehrter Durchgriff
    • Voraussetzungen eines umgekehrten Durchgriffs
    • Verneinung der Voraussetzungen im konkreten Fall (vgl. Erw. 4).

Ergebnis

Das Bundesgericht gelangte zum Ergebnis, dass die dem (Mehrheits-)Aktionär obliegende Vertragspflicht, der Vorkaufsberechtigten die Aktionärsstellung zu verschaffen, sich nicht auf die betroffene Gesellschaft erstrecke.

Quelle

BGer 4A_623/2018 vom 31.07.2019 = BGE 145 III 351 ff.

Weiterführende Informationen / Linktipps

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