Steuern – Steuerhinterziehung: „reformatio in peius“ bei Beschwerderückzug + Prinzip „ne bis in idem“ bei früherer Verurteilung

Art. 4 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK; Art. 175 Abs. 2 und 182 Abs. 3 DBG; Art. 57bis Abs. 3 StHG; Art. 47, 48, 49 und 106 Abs. 3 StGB

Das Bundesgericht hatte sich im Rahmen einer Steuerhinterziehung nach Beschwerderückzug des Steuerpflichtigen mit nachgenannten strafrechtlichen Grundsätzen auseinanderzusetzen:

  • Prinzip von „reformatio in peius“
    • Verschlechterungs- oder Verböserungsmöglichkeit des Richters bei Beschwerderückzug des Pflichtigen
  • Prinzip „ne bis in idem“
    • Keine zweimalige Verurteilung für dieselbe Sache

Im Einzelnen:

  • Prinzip „reformatio in peius“
    • Bundessteuer
      • Im Bereich der direkten Bundessteuer kann der kantonale Richter die Busse für Steuerhinterziehung einer reformatio in peius unterziehen
    • Kantonale und kommunale Steuern
      • Bei den kantonalen oder kommunalen Steuern steht es den Kantonen frei, eine solche Möglichkeit im Beschwerdeverfahren vorzusehen
    • Beschwerderückzug
      • Direkte Bundessteuer (DBSt)
        • Der Rückzug einer Beschwerde führt im Prinzip zum Verfahrensabschluss
        • Der kantonale Richter kann jedoch trotz Beschwerderückzug die Busse wegen Steuerhinterziehung im Bereich der direkten Bundessteuer einer reformatio in peius unterziehen, wenn der getroffene Entscheid mit den anwendbaren Bestimmungen offensichtlich unvereinbar und seine Korrektur von erheblicher Bedeutung ist
      • Kantonale Autonomie
        • Das kantonale Recht ist in Bezug auf die kantonalen und kommunalen Steuern autonom
    • Erinnerung an die geltenden Regeln zur Festsetzung der Busse wegen Steuerhinterziehung
      • Nichtanwendbarkeit von StGB 49 in diesem Bereich (siehe nachfolgende Box)
      • Die Regeln für die Festlegung der Busse für Steuerhinterziehung finden sich in DBG 175 Abs. 2
        • «Die Busse beträgt in der Regel das Einfache der hinterzogenen Steuer. Sie kann bei leichtem Verschulden bis auf einen Drittel ermässigt, bei schwerem Verschulden bis auf das Dreifache erhöht werden.»
  • Prinzip „ne bis in idem“
    • Keine Verletzung des Prinzips «ne bis in idem» im konkreten Fall im Zusammenhang mit einer früheren Verurteilung des Steuerpflichtigen wegen Steuerbetrug (E. 10).

Quelle

BGer 2C_12/2017 + 2C_13/2017 vom 23.03.2018 = BGE 144 IV 136 ff. = Praxis 108 (2019) Nr. 9

Art. 49 StGB   3. Konkurrenz

3. Konkurrenz

1 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.

2 Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären.

3 Hat der Täter eine oder mehrere Taten vor Vollendung des 18. Altersjahres begangen, so dürfen diese bei der Bildung der Gesamtstrafe nach den Absätzen 1 und 2 nicht stärker ins Gewicht fallen, als wenn sie für sich allein beurteilt worden wären.

Weiterführende Informationen / Linktipps

Die Kommentare sind geschlossen.