Familienrecht – Familienrechtliche Unterhaltsbeiträge und Verzugszins

OR 105 Abs. 1

Einleitung

Das Bundesgericht hatte sich im vorliegenden Fall mit dem Verzugszins für familienrechtliche Unterhaltsbeiträge zu befassen.

Sachverhalt

Mit Entscheid vom 24.10.2017 erteilte das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt A.________ in der Betreibung Nr. xxx (Zahlungsbefehl vom 03.08.2017) die definitive Rechtsöffnung für die Unterhaltsbeiträge von CHF 42’900.– (März 2014 bis Mai 2015) plus Zins zu 5% ab 31.10.2014 und von CHF 71’000.– (August 2015 bis Juli 2017) plus Zins zu 5% ab 16.10.2016 sowie für die Parteientschädigungen von CHF 2’500.– (Verfahren vor Bundesgericht), CHF 1’000.– (Verfahren vor dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau) und CHF 1’771.20 (Verfahren vor dem Obergericht Bern), jeweils plus Zinsen.

B.________ wandte sich gegen diesen Rechtsöffnungsentscheid an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Dieses wie seine Beschwerde mit Entscheid vom 31.05.2018 ab.

Mit Eingabe vom 08.07.2018 gelangte B.________ ans Bundesgericht.

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Obergericht des Kantons Bern hatte den Unterhaltsbeitrag, welchen B.________ (Beschwerdeführer) an A.________ (Beschwerdegegnerin) zu leisten hatte, auf CHF 3’000 festgesetzt, und zwar „zahlbar monatlich im Voraus“.

Das Bundesgericht konstatierte folgendes:

  • Das Obergericht des Kantons Bern habe nicht nur die Höhe, sondern auch die Fälligkeit der monatlichen Unterhaltsforderung per Monatsanfang festgelegt“
  • „Ab diesem Verfalltag geriet der Beschwerdeführer als Schuldner bei Nichtleistung ohne Weiteres und ohne Mahnung seitens der Beschwerdegegnerin in Verzug (Art. 102 Abs. 2 OR). Er hat daher für die Folgen der Verspätung aufzukommen, wozu bei einer Geldschuld die Verzugszinsen gehören (Art. 103 und 104 OR).“

Umstritten blieb folgendes:

  • Zeitpunkt, ab dem der Beschwerdeführer Verzugszinsen schulde
  • Qualifikation der familienrechtliche Unterhaltsbeiträge bzw., ob diese unter den Begriff der „Renten“ fallen würden.

Nach Wiedergabe der bisherigen Lehre und Rechtsprechung entschied das Bundesgericht, dass Unterhaltsbeiträge unter OR 105 Abs. 1 fallen würden (Erw. 4.4.4):

  • „… Ausschlaggebend ist – im Einklang mit der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung – die Anknüpfung an den Zweck der familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge (und der Invalidenrenten), welche nicht für eine gewinnbringende Anlage, sondern für den laufenden Bedarf des Gläubigers bestimmt sind (…). Diesem Verständnis ist der Vorzug zu geben, da es dem Wesen des Verzugszinses besser gerecht wird: Verzugszinsen sind Ausgleich dafür, dass der Geldgläubiger aus der geschuldeten Summe keinen Nutzen ziehen kann (…). Diese Schadensfiktion ist für Renten und namentlich familienrechtliche Unterhaltsbeiträge nicht gerechtfertigt, weshalb der Gläubiger, wenn er trotzdem Verzugszinsen beanspruchen will, den erhöhten Anforderungen von 105 Abs. 1 OR genügen muss. …“

Weiter erwog das Bundesgericht, dass mit der Normenformulierung “Tag der Anhebung der Betreibung” (OR 105 Abs. 1) (siehe Box unten) nicht die Zustellung des Zahlungsbefehls, sondern die Stellung des Betreibungsbegehrens (Postaufgabe) gemeint sei.

Weil im vorliegenden Fall das entsprechende Datum vom Beschwerdeführer nicht behauptet wurde und nicht ohne weiteres ersichtlich war, konnte die „Verzugszins-Rechtsöffnung“ erst ab dem Datum der Zahlungsbefehl-Ausstellung erteilt werden.

Entscheid des Bundesgerichts

  • Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 31.05.2018 insoweit aufgehoben, als damit die Rechtsöffnung für den Zinsenlauf der Unterhaltsforderungen bestätigt wurde. Der Beginn des Zinsenlaufs für die Forderung für Unterhalt der Betreibung Nr. xxx (Unterhaltsbeiträge von CHF 42’900.– und von CHF 71’000.–) wurde neu auf den 03.08.2017 festgesetzt und für den vor diesem Datum verlangten Verzugszins die Rechtsöffnung verweigert.
  • Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Zur Festsetzung der Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens wurde die Sache ans Obergericht zurückgewiesen.
  1. Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wurde gutgeheissen und es wurde Rechtsanwalt Michael Ritter zu ihrem Rechtsbeistand bestellt.
  2. Die Gerichtskosten von insgesamt CHF 5’500.– wurden zu CHF 4’500.– dem Beschwerdeführer und zu CHF 1’000.– der Beschwerdegegnerin auferlegt, wobei deren Anteil einstweilen auf die Bundesgerichtskasse genommen wurde.
  3. Der Beschwerdeführer wurde zu einer Parteientschädigung an die Beschwerdegegnerin von CHF 4’000.– verpflichtet.
  4. Rechtsanwalt Michael Ritter wurde aus der Bundesgerichtskasse mit CHF 1’500.– entschädigt.
  5. Das Urteil wurde den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt.

Quelle

BGer 5A_579/2018 vom 30.04.2019

Art. 105 OR   B. Verzug des Schuldners / II. Wirkung / 2. Verzugszinse / b. Bei Zinsen, Renten, Schenkungen

b. Bei Zinsen, Renten, Schenkungen

1 Ein Schuldner, der mit der Zahlung von Zinsen oder mit der Entrichtung von Renten oder mit der Zahlung einer geschenkten Summe im Verzuge ist, hat erst vom Tage der Anhebung der Betreibung oder der gerichtlichen Klage an Verzugszinse zu bezahlen.

2 Eine entgegenstehende Vereinbarung ist nach den Grundsätzen über Konventionalstrafe zu beurteilen.

3 Von Verzugszinsen dürfen keine Verzugszinse berechnet werden.

Weiterführende Informationen / Linktipps

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