Bäuerliches Bodenrecht: Landwirtschaftliche Grundstücke oder landwirtschaftliches Gewerbe?

BGBB 7

Sachverhalt

C.X. bewirtschaftete als Eigentümer landwirtschaftliche Grundstücke, Anlagen und Weingüter in drei waadtländer Gemeinden, bestehend aus 162‘602 m2 Wiesen und Felder, 44‘365 m2 Wald und 6‘162 m2 Reben. C.X. verstarb am 05.06.2009. Er hinterliess zwei Söhne, A.X. (geb. 1992) und B.X. (geb. 1994). Seine Schwester Y. bekundete Interesse an der Zuweisung des Grundbesitzes.

Die Grundstücke wurden seit dem Tode von C.X. durch seine Familie bewirtschaftet, mit Ausnahme der beiden Rebparzellen, die C.X. zugepachtet hatte; diese wurden nunmehr durch einen Lohnunternehmer bewirtschaftet. Bei der kantonalen Behörde, dem „Service de l’agriculture du canton Vaud“, waren diese beiden Rebparzellen immer noch als Teil des Nachlasses X. gemeldet.

Verfahrenshistory

Die Abläufe, die zum Bundesgerichtsentscheid BGE 2C_1085/2013 führten, sind die folgenden:

  • Begehren der Beiständinnen von A.X. und B.X., es sei festzustellen, dass die Erbmasse aus landwirtschaftlichen Grundstücken und nicht aus einem Gewerbe im Sinne des bäuerlichen Bodenrechts bestehe;
  • Entscheid der „Commission foncière rurale du canton de Vaud, section I, dass die betroffenen Grundstücke 0,952 Standardarbeitskraft (SAK) benötigten und angesichts des SAK-Minimums von „1“ nicht als landwirtschaftliches Gewerbe zu qualifizieren sei; der Verfügung lag ein in Auftrag gegebenes Gutachten zugrunde; in diesem Gutachten wurden die beiden Rebparzellen aufgrund der offiziellen Nutzungszugehörigkeit beim kantonalen Landwirtschaftsamt in die Berechnungen miteinbezogen;
  • Anfechtung des Entscheids durch Y mit dem Begehren, es sei die Variante zu prüfen, in der verschiedene Elemente, so die Milchkuh- und Pferdehaltung, mitberücksichtigt würden, um zu beurteilen, ob es sich hier um ein landwirtschaftliches Gewerbe handle;
  • Das Kantonsgericht Waadt hiess die Beschwerde gut, änderte den Entscheid der Bodenrechtskommission aber in dem Sinne ab, dass die fraglichen Parzellen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des bäuerlichen Bodenrechts darstellten, wobei es auf die formelle Pachtsituation abstellte und die beiden Rebparzellen als Teil des Betriebs betrachtete, die biologische Qualität des Betriebs berücksichtigte und eine SAK-Zahl von 1,127 ermittelte;
  • X und B.X. erhoben beim Bundesgericht Beschwerde und verlangten unter Kosten- und Entschädigungsfolge die Feststellung, dass die Grundstücke kein landwirtschaftliches Gewerbe darstellten; eventualiter sei der kantonsgerichtliche Entscheid aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Kernfrage

In der Kernfrage ging es darum, ob zwei Rebparzellen zugepachtet waren und damit in die „Berechnung der SAK“ (Berechnung Standardarbeitskraft) miteinbezogen werden durften oder nicht. Im Falle des Miteinbezugs wäre ein „landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von BGBB 7“ gegeben gewesen, andernfalls bestünde kein Gewerbe, sondern nur, aber immerhin, landwirtschaftliche Grundstücke, mit unterschiedlichen Rechtsfolgen.

Kernsätze

Für die Beurteilung von Voraussetzungen, Vorgehen und (Rechtsnachfolge-)Folgen im Bäuerlichen Bodenrecht hat das Schweizerische Bundesgericht in BGE 2C_1085/2013 u.a. bestimmte Merkpunkte hervorgehoben:

  • Die Rechte der Erben und Dritter unterscheiden sich je nachdem, ob es sich bei einer Hinterlassenschaft um ein landwirtschaftliches Gewerbe oder eben „nur“ um landwirtschaftliche Grundstücke handelt
    • Landwirtschaftliches Gewerbe
      • Kaufsrecht (BGBB 25 ff.) zugunsten gewisser Verwandter des Verstorbenen, die nicht Erben sind, zB der Geschwister des Verstorbenen
      • Vorkaufsrecht des Pächters (BGBB 47)
    • Landwirtschaftliche Grundstücke
      • Kein Kaufsrecht zugunsten Verwandter
  • Voraussetzungen für das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Gewerbes
    • Wirtschaftliche Einheit
      • Die Grundstücke müssen zusammen als wirtschaftliche Einheit bewirtschaftet werden
        • Inbetrachtziehung zugepachteter Grundstücke für die Beurteilung, ob es sich um ein landwirtschaftliches Gewerbe handelt oder nicht
        • Zulässigkeit der Einzelfallbetrachtung
      • Festlegung der Grundstücke, die für die Berechnung der Mindestgrösse einzubeziehen sind
        • Vorhandensein von Pachtverhältnissen
          • Nachweis der Pachtverträge
          • Zeitpunkt per Beurteilung des Vorhandenseins eines landwirtschaftlichen Gewerbes
        • Eine Standardarbeitskraft (SAK) für die Bewirtschaftung
  • Erbenseitige Voraussetzungen für den Erwerb landwirtschaftlicher Nachlass-Grundstücke
    • Erbe, der die Zuweisung von landwirtschaftlichen Nachlass-Grundstücken verlangt, muss Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes sein
      • Weder die zugepachteten Grundstücke noch die Grundstücke, die in der Erbteilung zugeteilt werden müssen, können für die Beurteilung der Gewerbeeigenschaft herangezogen werden (vgl. BGE 134 III 1)

Im konkreten Fall konnten die beiden Rebparzellen mangels Bestehens eines Pachtvertrages nicht in die „SAK-Berechnung“ miteinbezogen werden und es bestand kein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von BGBB 7.

Die Beschwerde wurde gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben.

Quelle

BGE 2C_1085/2013 vom 21.05.2015

Art. 7 BGBB   Landwirtschaftliches Gewerbe; im Allgemeinen

1 Als landwirtschaftliches Gewerbe gilt eine Gesamtheit von landwirtschaftlichen Grundstücken, Bauten und Anlagen, die als Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion dient und zu deren Bewirtschaftung, wenn sie landesüblich ist, mindestens eine Standardarbeitskraft nötig ist. Der Bundesrat legt die Faktoren und die Werte für die Berechnung einer Standardarbeitskraft in Abstimmung mit dem Landwirtschaftsrecht fest.

2 Unter den gleichen Voraussetzungen gelten auch Betriebe des produzierenden Gartenbaus als landwirtschaftliches Gewerbe.

3 Bei der Beurteilung, ob ein landwirtschaftliches Gewerbe vorliegt, sind diejenigen Grundstücke zu berücksichtigen, die diesem Gesetz unterstellt sind (Art. 2).

4 Zudem sind zu berücksichtigen:

a.   die örtlichen Verhältnisse;

b.   die Möglichkeit, fehlende betriebsnotwendige Gebäude zu erstellen oder vorhandene umzubauen, instand zu stellen oder zu ersetzen, wenn die entsprechenden Aufwendungen für den Betrieb tragbar sind;

c.   die für längere Dauer zugepachteten Grundstücke.

4bis Bei der Beurteilung, ob Eigentum an einem landwirtschaftlichen Gewerbe im Sinne der Artikel 21, 36 Absatz 2, 42 Absatz 2, 47 Absatz 2 und 49 Absatz 2 vorliegt, sind die Grundstücke nach Absatz 4 Buchstabe c ebenfalls zu berücksichtigen.2

5 Ein gemischtes Gewerbe gilt als landwirtschaftliches Gewerbe, wenn es überwiegend landwirtschaftlichen Charakter hat.

Weiterführende Informationen / Linktipps

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