Erbrecht: Erbvertragsstatut und ausländisches Erbvertragsverbot

Zwei kinderlose Ehegatten (X + Y) mit erstem ehelichen Wohnsitz in São Paolo, Brasilien, schlossen 1992, als sie in Appenzell wohnten, einen Erbvertrag, wonach sich für den Fall des Erstversterbens gegenseitig als Alleinerben ihres ganzen Nachlasses einsetzten. Jeder Ehegatte setzte sodann für den Fall des Zweitversterbens zur Hälfte eigene Verwandte (die Kinder des Bruders A von Y [1/4]) und zur anderen Hälfte Verwandte des vorverstorbenen Ehepartners (Kinder der Schwestern B und C sowie des Bruders D von X [zu je ¼]) als Erben seines Nachlasses. Schliesslich erklärten die Ehegatten, dass auf ihren Nachlass schweizerisches Recht anwendbar sei.

X, brasilianischer und deutscher Staatsangehöriger, verstarb 2003 in Frankreich.

Y errichtete am 05.01.2005 und am 02.02.2005 in Paris und am 20.04.2005 in São Paolo eine letztwillige Verfügung, mit welche sie die Kinder ihres Bruders A als ihre universellen Rechtsnachfolger einsetzte. Sie schenkte ihnen sodann anfangs bzw. Ende 2005 Liegenschaften in Paris und São Paolo.

Y, brasilianische Staatsangehörige, starb 2005 in São Paolo.

Prozessgeschichte

  • Klage

Mit Klage von 2007 beantragten die Kinder der Geschwister B, C und D von X, die letztwilligen Verfügungen und Schenkungen von Y seien für ungültig zu erklären, eventualiter herabzusetzen, soweit dadurch der Erbvertrag von 1992 verletzt sei. Die Kinder des Bruders A der Erblasserin Y beantragten demgegenüber die Abweisung der Klage.

  • Erste Instanz
    • Bezirksgericht Appenzell
    • Abweisung der Klage
  • Zweite Instanz
    • Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden
    • Herabsetzung der letztwilligen Verfügungen der Erblasserin vom 05.01.2005, vom 02.02.2005 und vom 20.04.2005, soweit dadurch die Erbenstellung der Kläger (Beschwerdegegner) zu insgesamt ¾ am in der Schweiz gelegenen Nachlass der Erblasserin verletzt ist
  • Dritte Instanz
    • Schweizerisches Bundesgericht
    • Abweisung der Beklagten (Beschwerdeführer), soweit es darauf eintrat.

Streitig und zu prüfen waren das anwendbare Recht auf den Erbvertrag der Ehegatten.

Mit einlässlichen Ausführungen kommt das Bundesgericht zu folgenden Schlüssen:

  • Zur Zeit des Erbvertragsschlusses hatten die Erblasserin und ihr Ehemann einen gemeinsamen Wohnsitz in der Schweiz, weshalb gemäss IPRG 95 Abs. 1 und 3 schweizerisches Recht anzuwenden ist [vgl. Erw. 3.3.3.].
  • Das Erbvertragsverbot nach brasilianischem Recht ist international nicht zwingend anzuwenden, weshalb seine Berücksichtigung gemäss IPRG 19 ausser Betracht fällt und schweizerisches Recht anwendbar bleibt [vgl. Erw. 4.5].

Quelle

BGE 138 III 489 ff. [BGE 5A_473/2011 vom 29.05.2012]

Weiterführende Informationen / Linktipps

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