Arbeitgeberfürsorge bei Bankmitarbeiterdaten

Durften Schweizer Banken dem Druck aus den USA nachgegeben und im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im US-Geschäft nicht anonymisierte, interne Dokumente in die USA übermitteln?

Sachverhalt

Im Rahmen eines vom amerikanischen Department of Justice (DOJ) eingeleiteten Amtshilfeverfahrens wurden die verlangten Daten in einem ersten Schritt anonymisiert den US-Behörden zur Verfügung gestellt. Beabsichtigt war, dass die amerikanischen Behörden ihr Amtshilfegesuch gestützt auf die anonymisierten Informationen ergänzen resp. präzisieren würden, wonach in einem zweiten Schritt Daten entschlüsselt hätten zur Verfügung gestellt werden können.

Im Bestreben, die Namen von der Steuerhinterziehung resp. des Steuerbetrugs verdächtigten US-Bürgern in Erfahrung zu bringen, hat das amerikanische Department of Justice (DOJ) jedoch mehreren Schweizer Banken mit Klagen gedroht und die sofortige Herausgabe von Mitarbeiterdaten verlangt.

In der Folge ermächtigte der Bundesrat am 04.04.2012 schweizerische Finanzinstitute, die Daten den amerikanischen Behörden direkt und nicht anonymisiert zur Verfügung zu stellen. Aus den übermittelten Daten gehen u.A. die Namen von Mitarbeitern hervor. Die FINMA forderte die Banken in der Folge auf, die bundesrätliche Ermächtigung zu nutzen.

Die Datenherausgabe wird mit der Abwendung von existenzbedrohenden Klagen und der Gefährdung von Verhandlungen mit US-Behörden begründet.

Amtshilfe

Im Rahmen der Amtshilfe gestützt auf das Doppelbesteuerungsabkommen CH-USA (DBA) kann die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) unter bestimmten Voraussetzungen und unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen, Daten, welche zur richtigen Durchführung des DBA notwendig sind, an US-Behörden übermitteln. Eine direkte Lieferung von Daten durch Private ist nicht vorgesehen.

Das Vorgehen der USA missachtet das gemäss geltendem DBA einzuhaltende Verfahren und verletzt die Souveränität der Schweiz. Mit der direkten Lieferung der fraglichen Daten an die USA ist das vorgesehene Verfahren auch auf Schweizer Seite nicht eingehalten worden.

Die Frage ist berechtigt, ob (i) die Herausgabe von Mitarbeiter betreffende Daten zulässig ist und (ii) ob neben den Bankkunden auch die Bankmitarbeiter „Betroffene“ im Sinne des DBA sind und einen Anspruch auf rechtliches Gehör haben.

Persönlichkeitsschutz, Fürsorgepflicht, Datenschutz

Im Rahmen der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht hat ein Arbeitgeber die Persönlichkeit seiner Arbeitnehmer zu schützen und vor (unberechtigten) Eingriffen Dritter – auch auf Reisen – zu schützen. Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer über wesentliche Aspekte des Arbeitsverhältnisses zu informieren und die berechtigten Interessen – auch finanzielle – der Arbeitnehmer wahrzunehmen.

Die Übermittlung von Mitarbeiterdaten könnte diese theoretisch z.B. der Gefahr eines (ungerechtfertigten) (Straf-)Verfahrens im Ausland aussetzen. Dadurch könnten eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung und ein Verstoss gegen die Fürsorgepflicht vorliegen.

Die Namen und allfällige weitere in den übermittelten Dokumenten resp. Daten enthaltene Informationen über Mitarbeitende dürften unter das Datenschutzgesetz (DSG) fallen. Die Übermittlung der Daten ins Ausland entspricht einer Bearbeitung, welche vom Zweck nicht gedeckt sein dürfte, und soweit aus öffentlich zugänglichen Informationsquellen bekannt, lagen die Voraussetzungen des DSG für die Übermittlung ins Ausland nicht vor. Die Datenherausgabe könnte deshalb gegen das DSG verstossen.

Rechtfertigung der Datenherausgabe?

Was das Arbeitsrecht, das DSG und das Persönlichkeitsschutzrecht anbelangt, kann die Datenübermittlung zulässig sein, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Ein Rechtfertigungsgrund liegt vor, wenn:

  • die Zustimmung des Mitarbeiters vorliegt oder
  • in einer Interessenabwägung das Interesse der Bank an der Bekanntgabe der Daten das Interesse des Mitarbeiters an deren Geheimhaltung überwiegt oder wenn
  • eine gesetzliche Grundlage für die Bekanntgabe vorliegt.

Mitarbeiterzustimmung

Die Banken wären zur vorgängigen Information der betroffenen Mitarbeiter verpflichtet gewesen. Dabei hätten die Mitarbeiter entscheiden können, ob sie ihre Zustimmung zur Datenübermittlung erteilen. Ohne Zustimmung ist die Datenherausgabe nur bei überwiegendem Interesse der Bank zulässig.

Interessenabwägung

Die Banken können sich rechtfertigend bspw. auf eine Bedrohung ihrer Existenz und das Wohl der Schweizer Volkswirtschaft (Systemrelevanz) berufen. Die Interessen der Arbeitnehmer reichen von der Vermeidung von (unberechtigten) Verfahren über die Erhaltung ihrer uneingeschränkten Bewegungsfreiheit (berufliche u. private Reisen) über vermögenswerte Interessen (Einkommens- und Vermögenseinbussen) bis zur Reputationswahrung (Ehre, wirtschaftliches Fortkommen) usw.

Ob die Abwendung existenzbedrohender Klagen und die Verhinderung des Scheiterns von Verhandlungen als Rechtfertigungsgrund ausreichen, wird die Rechtsprechung zu klären haben.

Strafrechtliche Aspekte

Die Datenherausgabe an die USA könnte den Straftatbestand einer Handlung für einen fremden Staat erfüllen. Dieser Straftatbestand wäre jedoch nicht erfüllt, wenn eine Bewilligung der zuständigen Behörde vorlag. Ob die Zustimmung des Bundesrates resp. der FINMA dazu ausreicht, ist offen.

Die übermittelten Daten könnten Geschäftsgeheimnisse enthalten, womit auch der Straftatbestand des wirtschaftlichen Nachrichtendiensts im Raum steht.

Soweit sich die betreffenden Finanzinstitute auf einen Notstand und die Wahrung höherwertiger Interessen (Interessenabwägung) berufen können, wäre eine Strafbarkeit unter Umständen ausgeschlossen. Auch bei einer rechtfertigenden Pflichtenkollision kann jedoch Schadenersatz geschuldet sein.

Ob existenzbedrohende Klagen resp. die Gefährdung von Verhandlungen einen Notstand darstellen und höherwertige Interessen gewahrt wurden, gibt zu Diskussionen Anlass.

Mitarbeiteransprüche

Soweit Mitarbeiter

  • weder vorgängig noch nachträglich informiert wurden, haben sie einen Informationsanspruch über die sie betreffenden, herausgegebenen Daten
  • in Verfahren involviert werden, haben sie Anspruch auf Unterstützung durch den Arbeitgeber (u.U. anwaltlicher Beistand)
  • Schaden erlitten haben, haben Sie bei gegebenen Voraussetzungen Anspruch auf Schadenersatz (allenfalls auch Genugtuung)

Quellen

  • Diverse

Weiterführende Informationen / Linktipps

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