MWST-Branchen-Info 14 – Finanzbereich

Die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) hat am 01.11.2011 den 2. Entwurf der MWST-Branchen-Info 14 – Finanzbereich (MBI 14) publiziert.

Altes Recht

Bis anhin, d.h. bis zur Inkraftsetzung des neuen Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG) vom 01.01.2010, galt nur die direkte Stellvertretung (Abschluss von Verträgen im Namen und auf Rechnung von Dritten).

Neues Recht

Die Neudefinition der Vermittlungstätigkeit im Finanzbereich durch die ESTV orientiert sich an der vom EUGH entwickelten Begrifflichkeit. Die ESTV lässt trotzdessen eine klare Begriffsdefinition vermissen.

Retrozessionen für Courtagen

Neu:

  • Vermögensverwalter
    • Keine MWST-Pflicht mehr
    • Kein Vorsteuerabzug mehr
  • Banken
    • Entfallen der Bezugssteuer auf im Ausland bezahlten Retrozessionen
    • Anpassung der Buchführung (Aufwand und Erträge) für eine Differenzierung von steuerbaren Retrozession (zB Depotgeschäft) und ausgenommenen Retrozessionen (zB Kreditgeschäft und Wertpapierhandel)

Vermittlungsdefinition

Unter Vermittlungstätigkeit im Finanzbereich versteht die ESTV nun die Tätigkeit einer in dieser Funktion agierenden Mittelsperson, die auf den Abschluss eines Vertrages im Finanz- und Kapitalverkehr hinwirkt, ohne selbst Partei des vermittelten Vertrags zu sein und ohne Eigeninteresse am Vertragsinhalt zu besitzen [vgl. Art. 21 Abs. 2 Ziffer 19 lit. a bis e MWSTG].

Voraussetzungen

  • Ausübung einer eigenständigen Mittlertätigkeit
  • Bezug auf einzelne Umsatzgeschäfte und deren typischen vertraglichen Leistungen der Parteien des vermittelten Vertrags
  • Zusammenbringen von und Einwirken auf zwei Parteien, das Umsatzgeschäft abzuschliessen
    • Gleichstellung
      • Untervermittler
      • Direkter Stellvertreter (Abschluss im Namen und auf Rechnung des Vertretenen)

Kundenbeziehungs-Vermittlung

  • Definition
    • Gewinnen und Zuführen von Kunden = Besteuerung unter dem Titel Dienstleistung der Werbung bzw. des Ueberlassens von Informationen am Sitz des Leistungsempfänger (vgl. MWSTG 8 Abs. 1)
    • Entschädigungsbezeichnung = finder’s fee
  • Abgrenzung
    • Vermittlung einer Kundenbeziehung von der Vermittlung einer Finanztransaktion
  • Beispiele
    • Ueberlassen von Kundendaten resp. -informationen
    • Partizipation an Kundenanlässen

Eigeninteresse des Vermittlers

  • Definition
    • bisher
      • alle Vermittlungsleistungen, die nicht in direkter Stellvertretung durch die Mittelsperson ausgeübt wurde = steuerbare Zuführen von Kunden
    • neu
      • Ablieferungspflicht nach OR 400 Abs. 1 = Eigeninteresse des Vermittlers immer gegeben
        • Fremdnützigkeit des Auftrags nach OR 394 ff.
          • alles, was dem Beauftragten für den Auftraggeber aus irgendeinem Grunde zugekommt
          • Retrozessionen
  • Abgrenzung
    • Eigeninteresse des Vermittlers von ablieferungspflichtigen Zuwendungen im Sinne von OR 400 Abs. 1 an den Vermittler
    • Unklar, weil auch immer ein Eigeninteresse des Vermittlers mitschwingen kann
  • Beispiele
    • unklar

Zuführung von Kunden oder Vermittlung von Finanztransaktionen

Vermögensverwalter führen nach Ansicht der ESTV keine eigenständige Vermittlungstätigkeit, sondern stets eine steuerbare Leistung.

Andere Leistungen des Vermittlers

Vermittler erbringen meistens ihre Vermittlungsleistungen zusammen mit anderen Leistungs- und Beratungskomponenten; die Vermittlungsleistungen werden selten isoliert von den übrigen Leistungen angeboten und erbracht. Hier differenziert das ESTV wie folgt:

  • Von der Steuer ausgenommene Vermittlungsleistung ist eine Hauptleistung und wird im Zusammenhang mit steuerbaren Nebenleistungen erbracht (zB Beratung)
    • Gesamtentgelt ist von der Steuer ausgenommen
    • Von der Steuer ausgenommene Vermittlungsleistung (zB Vermögensverwaltung) ist von untergeordneter Bedeutung, weshalb die Vermittlungsleistung nicht als eigenständige Vermittlungstätigkeit betrachtet wird
      • Gesamtentgelt ist MWST-pflichtig

Die ESTV erweitert die Beurteilung der Leistungsqualifikation Kunde/Vermögensverwalter auch auf das Rechtsverhältnis Vermögensverwalter/Bank. Die ESTV subsumiert das Rechtsverhältnis Vermögensverwalter/Bank entsprechend der Vermögensverwaltungsleistung als steuerbar. Dies akzentuiert die Retrozessionsproblematik, als Vermögensverwalter diese Bankenleistung nicht nur ihrem abzuliefern haben, sondern darauf vorab auch noch eine MWST abzuführen hätten [vgl. zu den Retrozessionen: http://www.retrozession.ch/rechtsprechung]

MWST-Behandlung der Vermittlungsleistung

  • Zuordnung der Vermittlungsleistung (vermitteltes Grundgeschäft)
    • steuerbarem Bereich
      • zB Depotverwaltung und Treuhandgeschäfte
      • auch Honorare für die Vermittlung sind steuerbar
  • von der Steuer ausgenommenem Bereich
    • zB Wertpapiertransaktionen und Kreditgewährungen
    • auch Vermittlungsleistung ist ausgenommen von der Steuer.

Die von der Steuer ausgenommenen Leistungen führen zu einer Vorsteuerkorrektur bzw. –kürzung (vgl. Box zu MWSTG 29 Abs. 1)

MWSTG 29 Abs. 1   Ausschluss des Anspruchs auf Vorsteuerabzug

Kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht bei Leistungen und bei der Einfuhr von Gegenständen, die für die Erbringung von Leistungen, die von der Steuer ausgenommen sind und für deren Versteuerung nicht optiert wurde, verwendet werden.

Leistungsort

  • Massgeblichkeit von MWSTG 8 Abs. 1 (vgl. Box zu MWSTG 8 Abs. 1).

MWSTG 8 Abs. 1   Ort der Dienstleistung

Als Ort der Dienstleistung gilt unter Vorbehalt von Absatz 2 der Ort, an dem der Empfänger oder die Empfängerin der Dienstleistung den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine Betriebsstätte hat, für welche die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Betriebsstätte der Wohnort oder der Ort seines oder ihres üblichen Aufenthaltes.

Grenzüberschreitende Vermittlungstätigkeit bei Finanztransaktionen

Nicht nur der Allokation der Organisation, der Abläufe, sondern auch der Vertragsgestaltung sind besondere Beachtung zu schenken.

Inkrafttreten der MWST-Branchen-Info

Es ist davon auszugehen, dass wegen der Gültigkeit des MWSTG die Verwaltungspraxis rückwirkend auf den 01.01.2010 in Kraft tritt oder trat.

Befassungs-Obliegenheit für den steuer-sorgfältigen Vermittler

Jeder Vermittler sollte sich mit der steuerlichen Einordnung seiner Leistungen genauestens befassen. Dabei kann sich die Inanspruchnahme des Auskunftsrechts, durch Einbringung einer schriftlichen Anfrage, aufdrängen (vgl. Box zu MWSTG 69).

MWSTG 69   Auskunftsrecht

Auf schriftliche Anfrage der steuerpflichtigen Person zu den mehrwertsteuerlichen Konsequenzen eines konkret umschriebenen Sachverhalts erteilt die ESTV innert angemessener Frist Auskunft. Die Auskunft ist für die anfragende steuerpflichtige Person und die ESTV rechtsverbindlich; sie kann auf keinen anderen Sachverhalt bezogen werden.

Quelle

2. Entwurf MWST-Branchen-Info 14 – Finanzbereich vom 01.11.2011 | estv.admin.ch


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