Schenkungen an qualifizierte Berufsträger sind sittenwidrig

Schenkungsrecht – Art. 38 Standesordnung FMH / OR 20

Ausgangslage für den Streit vor Bundesgericht bildete die gemischte Schenkung eines Grundstücks zu ca. CHF 2 Mio. unter dem Marktwert einer rohypnol-abhängigen Patientin an ihren Arzt. Nur noch strittig war, ob die Zuwendung sittenwidrig sei.

Gestützt auf seine Rechtsprechung, wiedergegeben in BGE 132 III 455, führte das Bundesgericht aus:

„Das Bundesgericht folgte in seiner publizierten Rechtsprechung einer Lehrmeinung, wonach bestimmte Berufsträger – namentlich Ärzte, Psychologen, Anwälte, Geistliche, Notare oder Sozialarbeiter, aber auch Haushalthilfen oder Heimleiter, Bankiers, Treuhänder, Finanzberater usw. – in besonders sensiblen Bereichen tätig seien, da ihnen ihre Tätigkeit unweigerlich tiefe Einblicke in die persönlichen und wirtschaftlichen Belange der betreuten Person verschaffe. Daher dränge sich fallweise die Beurteilung auf, ob eine Verfügung zugunsten einer solchen Vertrauensperson auf einem selbstbestimmten Entscheid beruht oder ob der Berufsträger den aus dem Vertrauensverhältnis sich ergebenden Einfluss in unlauterer Weise ausgenützt habe (BGE 132 III 455 E. 4.1 m.H.a. Abt, Probleme um die unentgeltlichen lebzeitigen Zuwendungen an Vertrauenspersonen, AJP 2004 S. 1225 f.). Demgegenüber verwarf das Bundesgericht die weitergehende Auffassung, „Schenkungen reicher, alleinstehender älterer und kranker Personen müssten bei einem Vertrauensverhältnis irgendwelcher Art vorbehaltlos und allgemein ungültig erklärt werden“. …“ (Erw. 3.1)

Vor Vorinstanz wurde geltend gemacht, der Beschwerdegegner habe als (einzige) Vertrauensperson und langjähriger Hausarzt von sämtlichen Umständen gewusst (Rohypnolabhängigkeit, Bedürfnis nach Medikamentenversorgung, manipulativer Charakter der Beschwerdeführerin). Er habe annehmen müssen, dass seine Medikamentenabgabe bei der Beschwerdeführerin Einfluss auf die Willensbildung habe und Mitursache für die nun plötzliche und überraschende Übertragung von Grundeigentum zu Lebzeiten gewesen sei. Indem er sich im Wissen um sämtliche Umstände auf das streitige Rechtsgeschäft einliess, habe er das bestehende Vertrauensverhältnis zu seinen Gunsten sittenwidrig ausgenutzt.

Der Vormund der Patientin machte schliesslich eine Verletzung der FMH-Standesordnung geltend:

„Die Annahme von Geschenken, Verfügungen von Todes wegen oder von anderen Vorteilen, sei es von Patienten, Patientinnen oder von Dritten, die den Arzt oder die Ärztin in ihren ärztlichen Entscheidungen beeinflussen können und das übliche Mass kleiner Anerkennungen übersteigen, sind unzulässig“ (Art. 38 der Standesordnung FMH).

Die Vorinstanz verneinte, dass der vom Beschwerdegegner erhaltene Vorteil geeignet gewesen sei, ihn in seinen ärztlichen Entscheidungen zu beeinflussen.

Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). „Offensichtlich unrichtig“ bedeutet dabei „willkürlich“ (BGE 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).

Aufgrund der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung sei der beanstandete Vertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit im Sinne von OR 20 nichtig. Die Vorinstanz habe dies zutreffend erkannt und daher die Klage zur Recht abgewiesen (vgl. Erw. 3.6).

Quelle

BGE 4A_3/2014 vom 09.04.2014

Weiterführende Informationen / Linktipps

BGE 132 III 455 | servat.unibe.ch

Unzulässige Schenkungen | schenkungen.ch

 

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