Anwaltsverkehr – keine Zustellung mehr von Eingaben an Gegenanwälte

Streichung von Art. 25 der Standesregeln SAV

Gemäss bisher herrschender Standespraxis hatten Rechtsanwälte dem Gegenanwalt unaufgefordert Kopien ihrer Eingaben an Gerichte und Verwaltungsbehörden zuzustellen.

Mit dieser Praxis erhielt die Gegenpartei Kenntnis von solchen Schriftsätzen, bevor sie über deren Inhalt von Gericht oder Behörden informiert werden konnten und Beantwortungsfristen zu laufen begannen. Durch den vorzeitigen Erhalt der sog. „Kollegenkopien“ wurde der Rechtsmittelbeklagte bessergestellt, indem er mehr Vorbereitungszeit als der Rechtsmittelkläger für die Vorbereitung seiner Rechtsschrift erhielt. Dies stand im Widerspruch zur „neuen“ Zivilprozessordnung (ZPO), die gleiche Fristen für Rechtsmittelerhebung und Rechtsmittelbeantwortung vorsieht [vgl. ZPO 312 Abs. 2 und ZPO 322 Abs. 2].

Weiter erlaubt die neue ZPO jederzeitige Eingaben, so dass bevor die Gerichte den nächsten Schriftenwechsel anordnen konnten, die Gegenanwälte in Kenntnis der „Kollegenkopien“ Stellungnahmen und Begehren einreichten, natürlich um der anwaltlichen Sorgfalt zu genügen.

Schliesslich wurde ein Entscheid bekannt, wo ein Gericht sogar annahm, dass in besonderen Fällen der Zustellung einer „Kollegenkopie“ die gleichen Wirkungen zukomme wie der Zustellung durch das Gericht.

Aus all diesen Gründen hat nun die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Anwaltsverbandes (SAV) vom 22.06.2012 Art. 25 der Standesregeln SAV (vgl. nachfolgende Box), der Grundlage für die Pflicht zur Zustellung von „Kollegenkopien“ bildete, per sofort ersatzlos aufgehoben.

Art. 25 der Standesregeln SAV   Kopien von Eingaben

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte stellen der Rechtsvertretung der Gegenpartei unaufgefordert Kopien ihrer Eingaben zu.

Diese Regel gilt nicht, wenn dadurch der Zweck der Eingabe vereitelt oder gefährdet wird.

Quelle

SAV Newsletter Nr. 4/2012

Weiterführende Informationen / Linktipps

Rechtsmittel | zivilprozess.ch

Die Kommentare sind geschlossen.